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Es ist ein altes Sprichwort: Wer andern eine Grube gräbt, fällt selber darein. – Aber der Löwenwirt in einem gewissen Städtlein war schon vorher darin. Zu diesem kam ein wohlgekleideter Gast. Kurz und trotzig verlangte er für sein Geld eine gute Fleischsuppe. Hierauf forderte er auch ein Stück Rindfleisch und ein Gemüse für sein Geld. Der Wirt fragte ganz höflich: Ob ihm nicht auch ein Glas Wein beliebe?
„O freilich ja!“, erwiderte der Gast, „wenn ich etwas Gutes haben kann für mein Geld.“ Nachdem er sich alles hatte wohl schmecken lassen, zog er einen abgeschliffenen Sechser aus der Tasche und sagte: „Hier, Herr Wirt, ist mein Geld.“ Der Wirt sagte: „Was soll das heißen? Seid Ihr mir nicht einen Taler schuldig?“ Der Gast erwiderte: „Ich habe für keinen Taler Speise von euch verlangt, sondern für mein Geld. Hier ist mein Geld. Mehr hab ich nicht. Habt ihr mir zu viel dafür gegeben, so ist’s eure Schuld.“
Dieser Einfall war eigentlich nicht weit her. Es gehörte nur Unverschämtheit dazu und ein unbekümmertes Gemüt, wie es am Ende ablaufen werde. Aber das Beste kommt noch. „Ihr seid ein durchtriebener Schalk“, erwiderte der Wirt, „und hättet wohl etwas anderes verdient. Aber ich schenke Euch das Mittagessen und hier noch ein Vierundzwanzigkreuzerstück dazu. Nur seid stille zur Sache und geht zu meinem Nachbarn, dem Bärenwirt, und macht es ihm ebenso!“
Das sagte er, weil er mit seinem Nachbarn, dem Bärenwirt, aus Brotneid in Unfrieden lebte und einer dem andern jeglichen Tort und Schimpf gerne antat und erwiderte. Aber der schlaue Gast griff lächelnd mit der einen Hand nach dem angebotenen Geld, mit der andern vorsichtig nach der Türe, wünschte dem Wirt einen guten Abend und sagte: „Bei eurem Nachbarn, dem Herrn Bärenwirt, bin ich schon gewesen.
Und eben der hat mich zu euch geschickt und kein anderer.“ So waren im Grunde beide hintergangen – und der Dritte hatte den Nutzen davon. Aber der listige Kunde hätte sich noch obendrein einen schönen Dank von beiden verdient, wenn sie eine gute Lehre daraus gezogen und sich miteinander ausgesöhnt hätten. Denn Frieden ernährt, aber Unfrieden verzehrt.

Hintergründe
Interpretationen
Zusammenfassung
Textanalyse
„Das wohlfeile Mittagessen“ ist eine von zahlreichen Geschichten, die von Johann Peter Hebel in seinem Werk „Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes“ veröffentlicht wurden. Dieses Buch, das 1811 veröffentlicht wurde, ist eine Sammlung von Kurzgeschichten und Anekdoten, die in der Regel moralische oder lebensbezogene Lehren enthalten. Diese Sammlung war zunächst als eine Art Almanach oder Kalender gedacht, der neben den Geschichten auch Informationen über Heilige, Wettervorhersagen und medizinische Ratschläge enthielt.
Johann Peter Hebel war ein deutscher Dichter und Schriftsteller, der im 18. und 19. Jahrhundert lebte. Er ist bekannt für seine volksnahen Erzählungen, Fabeln und Gedichte, die oft humorvoll und lehrreich sind. Sein Stil ist geprägt von einer einfachen, aber präzisen Sprache, die es ihm ermöglichte, komplexe moralische und soziale Themen auf zugängliche und unterhaltsame Weise zu behandeln.
Gesellschaftlicher Kontext: Hebel lebte in einer Zeit großer sozialer und politischer Veränderungen, als das feudale System durch die Aufklärung und die industrielle Revolution herausgefordert wurde. Die Themen Gier, Betrug und Konkurrenz, die in „Das wohlfeile Mittagessen“ behandelt werden, spiegeln möglicherweise die Spannungen und Unsicherheiten dieser Zeit wider.
Moralische Lehren: Wie viele andere Geschichten von Hebel enthält „Das wohlfeile Mittagessen“ eine deutliche moralische Botschaft. Die Geschichte warnt vor den Gefahren von Rivalität und Gier und hebt die Wichtigkeit von Zusammenarbeit und Frieden hervor.
Stil und Form: Die Geschichte folgt dem typischen Stil Hebels: Sie ist kurz, prägnant und humorvoll, mit einer einfachen Handlung und einer überraschenden Wendung am Ende. Die Verwendung von Dialogen und direkter Rede trägt zur Lebendigkeit und Volksnähe der Erzählung bei.
Sprachgebrauch: Hebel ist bekannt für seinen Einsatz der alemannischen Mundart in einigen seiner Werke. Auch wenn „Das wohlfeile Mittagessen“ in Hochdeutsch verfasst ist, spiegelt es dennoch Hebels Liebe zur sprachlichen Präzision und seinem Gespür für die sprachliche Vielfalt wider.
Insgesamt bietet „Das wohlfeile Mittagessen“ einen Einblick in Hebels Meisterschaft im Erzählen und seine Fähigkeit, alltägliche Situationen in lehrreiche und unterhaltsame Geschichten zu verwandeln.
„Das wohlfeile Mittagessen“ von Johann Peter Hebel ist ein moralisches Märchen, das mehrere Interpretationen zulässt:
Rivalität und Neid: Die Hauptinterpretation von Hebels Märchen dreht sich um die Negativität, die Rivalität und Neid hervorrufen können. Die beiden Wirte lassen ihre Feindschaft und Konkurrenz ihre Urteilsfähigkeit trüben, was ihnen schließlich schadet. Statt voneinander zu lernen und zusammenzuarbeiten, versuchen sie, sich gegenseitig zu schaden und fallen dabei selbst in die Grube.
Gier und Täuschung: Der Gast repräsentiert die negativen Aspekte von Gier und Täuschung. Er nutzt die Situation aus und betrügt beide Wirte, um kostenloses Essen und etwas Geld zu bekommen. Dieses Verhalten wird nicht als lobenswert dargestellt, sondern eher als eine listige und unehrliche Handlung, die nur wegen der Feindschaft der Wirte Erfolg hat.
Einheit und Zusammenarbeit: Das Märchen kann auch als eine Warnung interpretiert werden, dass Einheit und Zusammenarbeit besser sind als Zwietracht und Rivalität. Hätten die beiden Wirte zusammen gearbeitet und ihre Streitigkeiten beigelegt, wäre es für den Gast schwieriger gewesen, sie zu betrügen.
Die Ironie des Lebens: Das Märchen zeigt auch die Ironie des Lebens auf. Beide Wirte, die versuchen, den anderen zu schaden, werden am Ende selbst betrogen. Der Gast, der eigentlich der „Bösewicht“ ist, profitiert von der Situation und zieht ungeschoren davon.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Hebels Märchen „Das wohlfeile Mittagessen“ eine Reflexion über menschliche Schwächen wie Neid, Gier und Täuschung ist und gleichzeitig eine Mahnung, dass Einigkeit und Frieden Vorteile bringen können.
„Das wohlfeile Mittagessen“ ist ein Märchen von Johann Peter Hebel, das ein Sprichwort illustriert: Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. Die Handlung folgt einem cleveren, gut gekleideten Gast, der in zwei benachbarten Gasthäusern in einem Städtchen isst, ohne dafür zu zahlen.
Zunächst besucht der Gast den Löwenwirt und verlangt nach einer Fleischsuppe, Rindfleisch und Gemüse sowie nach einem Glas Wein. Nachdem er seine Mahlzeit genossen hat, bezahlt er mit einem abgeschliffenen Sechser, indem er erklärt, dass dies „sein Geld“ sei, für das er das Essen bestellt hatte. Obwohl der Wirt darauf hinweist, dass die Rechnung einen Taler beträgt, weist der Gast darauf hin, dass er nicht für einen Taler, sondern für „sein Geld“ bestellt hat und dies alles ist, was er hat.
Der Löwenwirt, der sich leicht betrogen fühlt, aber gleichzeitig von der Unverschämtheit des Gastes amüsiert ist, beschließt, das Mittagessen dem Gast zu schenken und ihm sogar ein Vierundzwanzigkreuzerstück zu geben. Er bittet den Gast, zum Bärenwirt, einem benachbarten Gasthaus, zu gehen und dort das Gleiche zu tun. Der Löwenwirt und der Bärenwirt sind nämlich Rivalen und verpassen keine Gelegenheit, einander zu ärgern.
Doch der schlaue Gast enthüllt schließlich, dass er bereits im Gasthaus des Bärenwirt war und genau dasselbe getan hat. Es stellt sich heraus, dass der Bärenwirt ihn zum Löwenwirt geschickt hat. So sind beide Wirte hinters Licht geführt worden, und der dritte, der Gast, hat den Nutzen davon.
Dieses Märchen zeigt den Schaden, den Rivalität und Neid anrichten können, und wie diese Gefühle ausgenutzt werden können. Es schlägt vor, dass es besser wäre, wenn die beiden Wirte ihre Streitigkeiten beilegen und Frieden schließen würden, denn „Frieden ernährt, aber Unfrieden verzehrt“.
Das Märchen „Das wohlfeile Mittagessen“ von Johann Peter Hebel bietet eine interessante Grundlage für eine linguistische Analyse. Diese Erzählung enthält aufschlussreiche Elemente in Bezug auf Sprache, Stil und Erzähltechnik, die im Folgenden genauer betrachtet werden sollen.
Sprache und Stil
Sprichwörter und Redewendungen: Der Text beginnt mit dem Sprichwort „Wer andern eine Grube gräbt, fällt selber darein“. Diese Redewendung spiegelt die Moral der Geschichte und ist typisch für Volksmärchen, die oft moralische Lehren enthalten.
Dialoge: Die direkte Rede wird effektiv eingesetzt, um den Charakter des Gastes als schlagfertig und dreist darzustellen. Der Dialog zwischen dem Gast und dem Wirt verdeutlicht zudem deren unterschiedliche Interessen und Absichten.
Erzählerkommentare: Der Erzähler tritt gelegentlich in die Erzählung ein, um das Verhalten und die Motive der Charaktere zu erklären oder zu bewerten. Solche Kommentare sind typisch für Hebels Stil, der oft eine lehrreiche, aber humorvolle Perspektive einnimmt.
Charakterdarstellung
Der Gast: Er wird als listiger und selbstbewusster Charakter dargestellt, der seine Redegewandtheit nutzt, um seinen Willen durchzusetzen. Seine Fähigkeit, die Wirte gegeneinander auszuspielen, zeigt seine Cleverness.
Die Wirte (Löwenwirt und Bärenwirt): Beide werden durch ihre Gier und den gegenseitigen Neid charakterisiert. Ihre Bereitschaft, den Rivalen zu schaden, wird durch die Handlung des Gastes bloßgestellt.
Struktur und Erzähltechnik
Einfache Struktur: Die Geschichte folgt einer linearen Struktur ohne Nebenhandlungen oder Zeitsprünge. Dies ist typisch für Märchen, die oft wegen ihrer Einfachheit und Klarheit geschätzt werden.
Ironische Wendung: Am Ende der Geschichte erfährt der Leser, dass beide Wirte vom selben Gast hinters Licht geführt wurden, was der Geschichte eine humorvolle und lehrreiche Wendung gibt.
Moral: Wie bei vielen Märchen enthält auch diese Geschichte eine explizite Lehre: „Frieden ernährt, Unfrieden verzehrt.“ Diese Botschaft wird am Schluss nochmals hervorgehoben, um die Leser zur Reflexion über die negativen Folgen von Neid und Zwietracht anzuregen.
Soziale und kulturelle Kontexte
Kulturelle Praktiken: Das Setting in einer Wirtshausszene spiegelt gesellschaftliche und wirtschaftliche Praktiken der damaligen Zeit wider, in der Gasthäuser zentrale Orte des sozialen Lebens waren.
Menschliche Schwächen: Die Erzählung nutzt die Schwächen der Charaktere, wie Gier und Neid, um eine universelle Botschaft zu vermitteln, die über die spezifische historische und geografische Kontext hinaus gültig ist.
Insgesamt bietet „Das wohlfeile Mittagessen“ von Johann Peter Hebel eine unterhaltsame und lehrreiche Lektüre, die durch geschickten Einsatz von Sprache, Stilmitteln und Erzähltechniken besticht.
Informationen für wissenschaftliche Analysen
Kennzahl | Wert |
---|---|
Lesbarkeitsindex nach Amstad | 75.8 |
Lesbarkeitsindex nach Björnsson | 32.7 |
Flesch-Reading-Ease Index | 61.6 |
Flesch–Kincaid Grade-Level | 7.9 |
Gunning Fog Index | 8.4 |
Coleman–Liau Index | 12 |
SMOG Index | 10 |
Automated Readability Index | 8.1 |
Zeichen-Anzahl | 2.154 |
Anzahl der Buchstaben | 1.704 |
Anzahl der Sätze | 27 |
Wortanzahl | 347 |
Durchschnittliche Wörter pro Satz | 12,85 |
Wörter mit mehr als 6 Buchstaben | 69 |
Prozentualer Anteil von langen Wörtern | 19.9% |
Silben gesamt | 542 |
Durchschnittliche Silben pro Wort | 1,56 |
Wörter mit drei Silben | 38 |
Prozentualer Anteil von Wörtern mit drei Silben | 11% |