Vorlesezeit für Kinder: 8 min
Der Schmetterling wollte eine Braut haben und sich unter den Blumen eine recht niedliche aussuchen. Zu dem Ende warf er einen musternden Blick über den ganzen Blumenflor und fand, dass jede Blume recht still und eher ehrsam auf ihrem Stengel saß, gerade wie es einer Jungfrau geziemt, wenn sie nicht verlobt ist. Allein es waren gar viele da, und die Wahl drohte mühsam zu werden. Diese Mühe gefiel dem Schmetterling nicht, deshalb flog er auf Besuch zu dem Gänseblümchen.
Dieses Blümlein nennen die Franzosen ‚Margarete‘. Sie wissen auch, dass Margarete wahrsagen kann, und das tut sie, wenn die Liebesleute, wie es oft geschieht, ein Blättchen nach dem anderen von ihr abpflücken, während sie an jedes eine Frage über den Geliebten stellen: ‚Von Herzen? – Mit Schmerzen? – Liebt mich sehr? – ein klein wenig? – Ganz und gar nicht?‘ und dergleichen mehr. Jeder fragt in seiner Sprache. Der Schmetterling kam auch zu Margarete um zu fragen. Er zupfte ihr aber nicht die Blätter aus, sondern er drückte jedem Blatte einen Kuss auf, denn er meinte, man käme mit Güte besser fort.
„Beste Margarete Gänseblümlein!“ sprach er zu ihr, „Sie sind die klügste Frau unter den Blumen, Sie können wahrsagen – bitte, bitte, mir zu sagen, bekomme ich die oder die? Welche wird meine Braut sein? – Wenn ich das weiß, werde ich geradeswegs zu ihr hinfliegen und um sie anhalten.“ Allein Margarete antwortete ihm nicht, sie ärgerte sich, dass er sie ‚Frau‘ genannt hatte, da sie doch noch eine Jungfrau sei – das ist ein Unterschied!
Er fragte zum zweiten und zum dritten Male; als sie aber stumm blieb und ihm kein einziges Wort entgegnete, so mochte er zuletzt auch nicht länger fragen, sondern flog davon, und zwar unmittelbar auf die Brautwerbung. Es war in den ersten Tagen des Frühlings, ringsum blühten Schneeglöckchen und Krokus. ‚Die sind sehr niedlich‘, dachte der Schmetterling, ‚allerliebste kleine Konfirmanden, aber ein wenig zu sehr Backfisch!‘ – Er, wie alle jungen Burschen, spähte nach älteren Mädchen aus. Darauf flog er auf die Anemonen zu.
Diese waren ihm ein wenig zu bitter, die Veilchen ein wenig zu schwärmerisch, die Lindenblüten zu klein und hatten eine zu große Verwandtschaft. Die Apfelblüten – ja, die sahen zwar aus wie Rosen, aber sie blühten heute, um morgen schon abzufallen, meinte er. Die Erbsenblüte gefiel ihm am besten, rot und weiß war sie, auch zart und fein, und gehörte zu den häuslichen Mädchen, die gut aussehen und doch für die Küche taugen. Er stand eben im Begriffe, seinen Liebesantrag zu stellen – da erblickte er dicht neben ihr eine Schote, an deren Spitze eine welke Blüte hing. „Wer ist die da?“ fragte er. „Es ist meine Schwester“, antwortete die Erbsenblüte.
„Ah, so! Sie werden später auch so aussehen?“ fragte er und flog davon, denn er hatte sich darob entsetzt. Das Geißblatt hing blühend über den Zaun hinaus, da war die Hülle und Fülle derartiger Fräulein, lange Gesichter, gelber Teint, nein, die Art gefiel ihm nicht. Aber welche liebte er denn? Der Frühling verstrich, der Sommer ging zu Ende. Es war Herbst. Er aber war noch immer unschlüssig. Die Blumen erschienen nun in den prachtvollsten Gewändern – doch vergeblich. Es fehtle ihnen der frische, duftende Jugendsinn.
Duft begehrt das Herz, wenn es selbst nicht mehr jung ist, und gerade hiervon ist bitter wenig bei den Georginen und Klatschrosen zu finden. So wandte sich denn der Schmetterling der Krauseminze zu ebener Erde zu. Diese hat nun wenig Blüte, sie ist ganz und gar Blüte, duftet von unten bis oben, hat Blumenduft in jedem Blatte. „Die werde ich nehmen!“ sagte der Schmetterling. Und nun hielt er um sie an. Aber die Krauseminze stand steif und still da und hörte ihn an; endlich sagte sie: „Freundschaft, ja! Aber weiter nichts! Ich bin alt, und Sie sind alt.
Wir können zwar sehr wohl füreinander leben, aber uns heiraten – nein! Machen wir uns nicht zum Narren in unserem Alter!“ So kam es denn, dass der Schmetterling keine Frau bekam. Er hatte zu lange gewählt, und das soll man nicht! Der Schmetterling blieb ein Hagestolz, wie man es nennt. Es war im Spätherbste, Regen und trübes Wetter. Der Wind blies kalt über den Rücken der alten Weidenbäume dahin, so, dass es in ihnen knackte. Es war kein Wetter, um im Sommeranzuge herumzufliegen.
Aber der Schmetterling flog auch nicht draußen umher. Er war zufälligerweise unter Dach und Fach geraten, wo Feuer im Ofen und es so recht sommerwarm war. Er konnte schon leben. Doch „Leben ist nicht genug!“ sprach er. „Sonnenschein, Freiheit und ein kleines Blümchen muss man haben!“ Und er flog gegen die Fensterscheibe, wurde gesehen, bewundert, auf eine Nadel gesteckt und in dem Raritätenkasten ausgestellt; mehr konnte man nicht für ihn tun.
„Jetzt setze ich mich selbst auf einen Stengel wie die Blumen!“ sagte der Schmetterling, „so recht angenehm ist das freilich nicht! So ungefähr wird es wohl sein, wenn man verheiratet ist, man sitzt fest!“ – Damit tröstete er sich dann einigermaßen. „Das ist ein schlechter Trost!“ sagten die Topfgewächse im Zimmer. „Aber“, meinte der Schmetterling, „diesen Topfgewächsen ist nicht recht zu trauen, sie gehen zuviel mit Menschen um!“
Hintergründe zum Märchen“Der Schmetterling“
Hans Christian Andersen (1805-1875) war ein dänischer Schriftsteller, der für seine Märchen berühmt ist. Obwohl er auch Romane, Gedichte und Reiseberichte schrieb, sind es seine Märchen, die ihm internationale Bekanntheit eingebracht haben. Einige seiner bekanntesten Märchen sind „Die kleine Meerjungfrau“, „Das hässliche Entlein“, „Die Prinzessin auf der Erbse“ und „Die Schneekönigin“. Andersen schrieb insgesamt über 150 Märchen, die in zahlreichen Sprachen übersetzt wurden und heute auf der ganzen Welt bekannt sind.
Andersens Märchen sind oft von der Natur und dem täglichen Leben inspiriert und enthalten viele symbolische Elemente und tiefgründige Botschaften. Sie richten sich sowohl an Kinder als auch an Erwachsene und behandeln universelle Themen wie Liebe, Freundschaft, Identität, Vergänglichkeit und die Suche nach Glück und Erfüllung.
In „Der Schmetterling“ wird die Schönheit und Vielfalt der Natur hervorgehoben, indem der Schmetterling verschiedene Blumenarten betrachtet, um seine perfekte Braut zu finden. Andersen vermittelt in dieser Geschichte eine Botschaft über die Schwierigkeiten der Entscheidungsfindung, die Notwendigkeit von Kompromissen und die Vergänglichkeit des Lebens. Darüber hinaus zeigt die Geschichte, dass es wichtig ist, sich nicht von äußerlichen Erscheinungen und gesellschaftlichen Erwartungen leiten zu lassen, sondern seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse zu erkennen und zu akzeptieren.
Die Hintergründe der Geschichte sind vielfältig und reichen von der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Normen bis hin zur Reflexion über menschliche Beziehungen und die Natur. Durch die Verwendung von Symbolen und Metaphern eröffnet Andersen einen Raum für Interpretation und regt die Leser dazu an, über die Bedeutung der Geschichte und ihre eigene Position in der Welt nachzudenken.
Interpretationen zum Märchen „Der Schmetterling“
„Der Schmetterling“ von Hans Christian Andersen ist ein Märchen mit mehreren Schichten und kann auf verschiedene Weise interpretiert werden. Hier sind einige Interpretationsmöglichkeiten:
Die Schwierigkeit der Entscheidungsfindung: Die Geschichte zeigt, wie schwierig es sein kann, eine Entscheidung zu treffen, insbesondere wenn man vor einer Vielzahl von Möglichkeiten steht. Der Schmetterling findet keine perfekte Braut, weil er sich auf die Schwächen jeder Blume konzentriert und zu lange mit seiner Entscheidung zögert. Dies könnte eine Warnung vor dem ständigen Streben nach Perfektion sein, die letztendlich zu Unzufriedenheit und Einsamkeit führen kann.
Die Bedeutung von Kompromissen: Der Schmetterling ist nicht bereit, Kompromisse einzugehen und kann deshalb keine passende Braut finden. Dies kann als eine Mahnung gesehen werden, dass Kompromisse notwendig sind, um harmonische Beziehungen zu führen und ein erfülltes Leben zu haben.
Vergänglichkeit und Wandel: Die Geschichte betont auch die Vergänglichkeit der Schönheit und des Lebens. Der Schmetterling sucht nach einer perfekten, unvergänglichen Schönheit, die es jedoch in der Natur nicht gibt. Die verwelkte Schwester der Erbsenblüte ist ein Beispiel für die Vergänglichkeit des Lebens und der Schönheit. Auch der Schmetterling selbst erfährt Veränderungen und altert im Laufe der Geschichte.
Die Suche nach Identität und Selbstakzeptanz: Der Schmetterling ist ständig auf der Suche nach etwas Besserem, doch am Ende erkennt er, dass er selbst nicht mehr jung ist und seine eigenen Erwartungen nicht erfüllen kann. Die Geschichte kann auch als eine Aufforderung zur Selbstakzeptanz und zur Anerkennung der eigenen Grenzen und Unzulänglichkeiten interpretiert werden.
Gesellschaftliche Erwartungen und Beziehungen: Die Geschichte thematisiert auch gesellschaftliche Erwartungen bezüglich Ehe und Beziehungen. Der Schmetterling glaubt, dass er verheiratet sein muss, um glücklich zu sein, doch am Ende ist er allein und unverheiratet. Dies könnte eine Kritik an gesellschaftlichen Normen und Erwartungen sein, die Menschen dazu zwingen, in bestimmten Lebensphasen bestimmte Entscheidungen zu treffen.
Insgesamt bietet „Der Schmetterling“ von Hans Christian Andersen verschiedene Interpretationsmöglichkeiten und kann auf unterschiedliche Weise verstanden werden. Die Geschichte regt sowohl Kinder als auch Erwachsene dazu an, über wichtige Lebensfragen nachzudenken und wichtige Lektionen über Liebe, Schönheit und Vergänglichkeit zu lernen.
Adaptionen zum Märchen „Der Schmetterling“
Obwohl „Der Schmetterling“ von Hans Christian Andersen nicht so bekannt ist wie einige seiner anderen Werke, gibt es dennoch einige Adaptionen und kreative Interpretationen des Märchens. Hier sind einige Beispiele:
Theaterstücke und Musicals: Einige Theatergruppen und Schulklassen haben das Märchen „Der Schmetterling“ adaptiert und auf die Bühne gebracht. Das Märchen „Der Schmetterling“ wurde in verschiedenen Formen für die Bühne adaptiert, etwa als Schauspiel oder als Kindertheaterstück. Diese Adaptionen können sich in der Umsetzung unterscheiden.
Kinderbücher und illustrierte Ausgaben: Das Märchen „Der Schmetterling“ ist in verschiedenen Sammlungen von Hans Christian Andersens Werken enthalten. Es gibt auch spezielle Ausgaben für Kinder, die die Geschichte mit farbenfrohen Illustrationen und einfacherem Text anreichern, um sie für jüngere Leser zugänglich zu machen.
Literarische Adaptionen: Autoren und Künstler haben sich von „Der Schmetterling“ inspirieren lassen, um neue Geschichten, Gedichte oder Kunstwerke zu schaffen, die auf Andersens Märchen aufbauen. Solche Adaptionen können sich in Inhalt, Stil und Perspektive von der Originalgeschichte unterscheiden, aber sie alle schöpfen aus den Themen und Ideen, die Andersen in „Der Schmetterling“ präsentiert.
Animationsfilme und Kurzfilme: Es gibt auch einige animierte Kurzfilme und Zeichentrickserien, die auf Andersens Märchen basieren, einschließlich „Der Schmetterling“. Diese Adaptionen können entweder die Geschichte direkt erzählen oder sie als Grundlage für neue Geschichten verwenden, die auf den Charakteren und Themen des Originals basieren.
Bildungs- und Lernmaterialien: „Der Schmetterling“ wird oft in Schulen und Bildungseinrichtungen verwendet, um Kinder und Erwachsene über Themen wie Entscheidungsfindung, Kompromisse und die Vergänglichkeit des Lebens zu unterrichten. Es gibt zahlreiche Lehrmaterialien, die auf der Grundlage von „Der Schmetterling“ entwickelt wurden, um diese Themen aufzugreifen und zu vermitteln.
Obwohl es keine weltbekannten Adaptionen von „Der Schmetterling“ gibt, bietet die Geschichte dennoch viele Möglichkeiten für kreative Interpretationen und Adaptionen in verschiedenen Medien und Formaten. Diese Beispiele zeigen, dass das Märchen trotz seiner weniger bekannten Natur noch immer die Fähigkeit hat, Menschen zu inspirieren und wichtige Botschaften zu vermitteln.
Zusammenfassung der Handlung
In Hans Christian Andersens Märchen „Der Schmetterling“ geht es um einen Schmetterling, der auf der Suche nach einer passenden Braut ist. Er möchte sich unter den Blumen eine niedliche aussuchen. Dabei untersucht er die verschiedenen Blumen und ihre Eigenschaften. Er wendet sich zunächst an das Gänseblümchen Margarete, die für ihre Wahrsagekünste bekannt ist. Er versucht, sie mit Schmeicheleien und Küssen zu überzeugen, ihm bei seiner Entscheidung zu helfen. Doch Margarete antwortet nicht, weil sie beleidigt ist, dass der Schmetterling sie eine „Frau“ statt „Jungfrau“ nennt.
Der Schmetterling sucht weiter und begegnet vielen verschiedenen Blumenarten wie Schneeglöckchen, Krokus, Anemonen, Veilchen, Lindenblüten und Apfelblüten. Jede Blume hat ihre eigenen Vorzüge, aber auch Schwächen, und keine scheint die perfekte Braut für den Schmetterling zu sein. Als er schließlich auf die Erbsenblüte trifft, ist er zunächst sehr angetan von ihr, aber als er ihre verwelkte Schwester sieht, erschrickt er und fliegt weiter.
Die Zeit vergeht, und der Schmetterling hat sich noch immer nicht entschieden. Der Frühling geht zu Ende, der Sommer verstreicht, und der Herbst kommt. Schließlich begegnet er der Krauseminze, die ihn mit ihrem Duft und ihrer schlichten Schönheit beeindruckt. Der Schmetterling hält um ihre Hand an, aber sie lehnt seinen Antrag ab. Sie schlägt vor, Freunde zu sein, da sie beide alt sind und eine Heirat in ihrem Alter albern wäre.
Der Schmetterling bleibt unverheiratet und allein. Im Spätherbst findet er Zuflucht in einem warmen Haus, wo er vor der Kälte und dem Regen geschützt ist. Er sehnt sich nach Sonnenschein, Freiheit und einem kleinen Blümchen und fliegt gegen die Fensterscheibe. Die Menschen im Haus bemerken ihn, bewundern ihn und stecken ihn auf eine Nadel in einem Raritätenkasten. Der Schmetterling tröstet sich mit dem Gedanken, dass sein jetziges Leben dem einer Ehe ähnelt, da er feststeckt und eingeschränkt ist.
Die Topfpflanzen im Raum halten diesen Trost für schlecht und machen ihn darauf aufmerksam. Der Schmetterling misstraut jedoch ihrer Meinung, da sie seiner Ansicht nach zu viel Zeit mit Menschen verbringen und daher nicht objektiv urteilen können. So endet die Geschichte des Schmetterlings, der eine Braut suchte, aber letztendlich allein blieb.
Informationen für wissenschaftliche Analysen
Kennzahl | Wert |
---|---|
Übersetzungen | DE, EN, DA, ES, FR, IT |
Lesbarkeitsindex nach Amstad | 79.1 |
Lesbarkeitsindex nach Björnsson | 30.1 |
Flesch-Reading-Ease Index | 65.9 |
Flesch–Kincaid Grade-Level | 7 |
Gunning Fog Index | 7 |
Coleman–Liau Index | 12 |
SMOG Index | 9.9 |
Automated Readability Index | 7.3 |
Zeichen-Anzahl | 5.192 |
Anzahl der Buchstaben | 4.090 |
Anzahl der Sätze | 72 |
Wortanzahl | 844 |
Durchschnittliche Wörter pro Satz | 11,72 |
Wörter mit mehr als 6 Buchstaben | 155 |
Prozentualer Anteil von langen Wörtern | 18.4% |
Silben gesamt | 1.287 |
Durchschnittliche Silben pro Wort | 1,52 |
Wörter mit drei Silben | 98 |
Prozentualer Anteil von Wörtern mit drei Silben | 11.6% |