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Es war einmal ein Mann und eine Frau, die wünschten sich schon lange vergeblich ein Kind, endlich machte sich die Frau Hoffnung, der liebe Gott werde ihren Wunsch erfüllen. Die Leute hatte in ihrem Hinterhaus ein kleines Fenster, daraus konnte man in einen prächtigen Garten sehen, der voll der schönsten Blumen und Kräuter stand. Er war aber von einer hohen Mauer umgeben, und niemand wagte hineinzugehen, weil er einer Zauberin gehörte, die große Macht hatte und von aller Welt gefürchtet ward. Eines Tags stand die Frau an diesem Fenster und sah in den Garten hinab. Da erblickte sie ein Beet, das mit den schönsten Rapunzeln bepflanzt war, und sie sahen so frisch und grün aus, dass sie lüstern ward und das größte Verlangen empfand, von den Rapunzeln zu essen.
Das Verlangen nahm jeden Tag zu, und da sie wusste, dass sie keine davon bekommen konnte, so fiel sie ganz ab, sah blass und elend aus. Da erschrak der Mann und fragte: „Was fehlt dir. liebe Frau? „Ach, antwortete sie, „wenn ich keine Rapunzeln aus dem Garten hinter unserm Hause zu essen kriege so sterbe ich.“ Der Mann, der sie lieb hatte, dachte: Eh du deine Frau sterben lässt, holst du ihr von den Rapunzeln, es mag kosten, was es will. In der Abenddämmerung stieg er also über die Mauer in den Garten der Zauberin, stach in aller Eile eine Handvoll Rapunzeln und brachte sie seiner Frau. Sie machte sich sogleich Salat daraus und aß sie in voller Begierde auf. Sie hatten ihr aber so gut geschmeckt, dass sie den anderen Tag noch dreimal so viel Lust bekam. Sollte sie Ruhe haben, so musste der Mann noch einmal in den Garten steigen.
Er machte sich also in der Abenddämmerung wieder hinab. Als er aber die Mauer herabgeklettert war, erschrak er gewaltig, denn er sah die Zauberin vor sich stehen. „wie kannst du es wagen“, sprach sie mit zornigem Blick, in meinen Garten zu steigen und wie ein Dieb mir meine Rapunzeln zu stehlen? Das soll dir schlecht bekommen!“ „Ach“, antwortete er, lasst Gnade für Recht ergehen, ich habe mich nur aus Not dazu entschlossen. Meine Frau hat Eure Rapunzeln aus dem Fenster erblickt und empfindet ein so großes Gelüsten, dass sie sterben würde, wenn sie nicht davon zu essen bekommt.
Da ließ die Zauberin in ihrem Zorne nach und sprach zu ihm: „Verhält es sich so, wie du sagst so will ich dir gestatten, Rapunzeln mitzunehmen, soviel du willst. Allein ich mache eine Bedingung: Du musst mir das Kind geben, das deine Frau zur Welt bringen wird. Es soll ihm gut gehen, und ich will für es sorgen wie eine Mutter.“ Der Mann sagte in der Angst alles zu, und als die Frau in Wochen kam, so erschien sogleich die Zauberin, gab dem Kinde den Namen Rapunzel und nahm es mit sich fort.
Rapunzel ward das schönste Kind unter der Sonne. Als es zwölf Jahre alt war, schloss es die Zauberin in einen Turm, der in einem Walde lag und weder Treppe noch Türe hatte. Nur ganz oben war ein kleines Fensterchen. Wenn die Zauberin hinein wollte, so stellte sie sich unten hin und rief:
„Rapunzel, Rapunzel,
Lass mir dein Haar herunter!“
Rapunzel hatte lange, prächtige Haare, fein wie gesponnen Gold. Wenn sie nun die Stimme der Zauberin vernahm, so band sie ihre Zöpfe los, wickelte sie oben um einen Fensterhaken, und dann fielen die Haare zwanzig Ellen tief herunter, und die Zauberin stieg daran hinauf.
Nach ein paar Jahren trug es sich zu, dass der Sohn des Königs durch den Wald ritt und an dem Turm vorüberkam. Da hörte er einen Gesang, der war so lieblich, dass er still hielt und horchte. Das war Rapunzel, die in ihrer Einsamkeit sich die Zeit damit vertrieb, ihre süße Stimme erschallen zu lassen. Der Königssohn wollte zu ihr hinaufsteigen und suchte nach einer Türe des Turms: aber es war keine zu finden.
Er ritt heim. Doch der Gesang hatte ihm so sehr das Herz gerührt, dass er jeden Tag hinaus in den Wald ging und zuhörte. Als er einmal so hinter einem Baum stand, sah er, dass eine Zauberin herankam, und hörte, wie sie hinaufrief:
„Rapunzel, Rapunzel,
Lass mir dein Haar herunter!“
Da ließ Rapunzel die Haarflechten herab, und die Zauberin stieg zu ihr hinauf.
„Ist das die Leiter, auf welcher man hinaufkommt, so will ich auch einmal mein Glück versuchen.“ Und den folgenden Tag, als es anfing dunkel zu werden, ging er zu dem Turme und rief:
„Rapunzel, Rapunzel,
Lass mir dein Haar herunter!“
Alsbald fielen die Haare herab, und der Königssohn stieg hinauf.
Anfangs erschrak Rapunzel gewaltig, als ein Mann zu ihr hereinkam, wie ihre Augen noch nie einen erblickt hatten. Doch der Königssohn fing an, ganz freundlich mit ihr zu reden, und erzählte ihr, dass von ihrem Gesang sein Herz so sehr sei bewegt worden, dass es ihm keine Ruhe gelassen und er sie selbst habe sehen müssen. Da verlor Rapunzel ihre Angst, und als er sie fragte, ob sie ihn zum Manne nehmen wollte, und sie sah, dass er jung und schön war, so dachte sie: Der wird mich lieber haben als die alte Frau Gotel, und sagte „Ja“, und legte ihre Hand in seine Hand.
Sie sprach: „Ich will gerne mit dir gehen, aber ich weiß nicht, wie ich herabkommen kann. Wenn du kommst, so bringt jedes Mal einen Strang Seide mit, daraus will ich eine Leiter flechten, und wenn die fertig ist, so steige ich herunter, und du nimmst mich auf dein Pferd.“ Sie verabredeten, dass er bis dahin alle Abende zu ihr kommen sollte: Denn bei Tag kam die Alte. Die Zauberin merkte auch nichts davon, bis einmal Rapunzel anfing und zu ihr sagte: „Sag Sie mir doch, Frau Gotel, wie kommt es nur, Sie wird mir viel schwerer heraufzuziehen als den jungen Königssohn, der ist in einem Augenblick bei mir?“
„Ach du gottloses Kind!“ rief die Zauberin, „was muss ich von dir hören. Ich dachte, ich hatte dich von aller Welt geschieden, und du hast mich doch betrogen!“ In ihrem Zorn packte sie die schönen Haare der Rapunzel, schlug sie ein paarmal um ihre linke Hand, griff eine Schere mit der rechten, und, ritsch, ratsch, waren sie abgeschnitten, und die schönen Flechten lagen auf der Erde. Und sie war so unbarmherzig, dass sie die arme Rapunzel in eine Wüstenei brachte, wo sie in großem Jammer und Elend leben musste.
Denselben Tag aber, wo sie Rapunzel verstoßen hatte, machte abends die Zauberin die abgeschnittenen Flechten oben am Fensterhaken fest, und als der Königssohn kam und rief:
„Rapunzel, Rapunzel,
Lass mir dein Haar herunter!“
So ließ sie die Haare hinab. Der Königssohn stieg hinauf, aber er fand oben nicht seine liebste Rapunzel, sondern die Zauberin, die ihn mit bösen und giftigen Blicken ansah. „Aha“, rief sie höhnisch, „du willst die Frau Liebste holen, aber der schöne Vogel sitzt nicht mehr im Nest und singt nicht mehr, die Katze hat ihn geholt und wird dir auch noch die Augen auskratzen Für dich ist Rapunzel verloren, du wirst sie nie wieder erblicken!“ Der Königssohn geriet außer sich vor Schmerzen, und in der Verzweiflung sprang er den Turm herab.
Das Leben brachte er davon, aber die Dornen, in die er fiel, zerstachen ihm die Augen. Da irrte er blind im Wald umher, aß nichts als Wurzeln und Beeren und tat nichts als jammern und weinen über den Verlust seiner liebsten Frau. So wanderte er einige Jahre im Elend umher und geriet endlich in die Wüstenei wo Rapunzel mit den Zwillingen, die sie geboren hatte, einem Knaben und einem Mädchen, kümmerlich lebte. Er vernahm eine Stimme, und sie deuchte ihm so bekannt. Da ging er darauf zu und wie er herankam, erkannte ihn Rapunzel und fiel ihm um den Hals und weinte.
Zwei von ihren Tränen aber benetzten seine Augen, da wurden sie wieder klar, und er konnte damit sehen wie sonst. Er führte sie in sein Reich, wo er mit Freude empfangen ward, und sie lebten noch lange glücklich und vergnügt.
Hintergründe zum Märchen Rapunzel
„Rapunzel“ ist ein bekanntes Märchen der Gebrüder Grimm, das erstmals in der ersten Ausgabe der Kinder- und Hausmärchen im Jahr 1812 veröffentlicht wurde. Die Geschichte basiert auf verschiedenen europäischen Volksmärchen, insbesondere auf der französischen Geschichte „Persinette“ von Charlotte-Rose de Caumont de La Force, die 1698 veröffentlicht wurde.
Die Handlung von „Rapunzel“ dreht sich um ein junges Mädchen, das von einer Zauberin in einem hohen Turm ohne Tür und Treppe eingesperrt wird. Der Turm kann nur durch das Hinaufklettern an Rapunzels langen, goldenen Haaren erreicht werden. Eines Tages entdeckt ein Prinz den Turm und das gefangene Mädchen. Er verliebt sich in Rapunzel und besucht sie heimlich. Die beiden planen ihre Flucht, werden jedoch von der Zauberin entdeckt.
Als Strafe trennt die Zauberin Rapunzel von ihrem geliebten Prinzen, schneidet ihre langen Haare ab und verbannt sie in die Wüste. Der Prinz stürzt vom Turm und wird blind. Nach Jahren des Umherirrens finden Rapunzel und der Prinz zueinander, und durch ihre Tränen wird der Prinz geheilt. Schließlich kehren sie in sein Königreich zurück und leben glücklich zusammen.
Das Märchen „Rapunzel“ behandelt Themen wie Liebe, Freiheit und die Überwindung von Widrigkeiten. Es zeigt auch die Bedeutung von Entschlossenheit und Selbstvertrauen, wenn es darum geht, schwierige Herausforderungen zu meistern. Im Laufe der Zeit wurde die Geschichte in verschiedenen Formen adaptiert, darunter Theaterstücke, Filme und moderne Neuinterpretationen. Eine der bekanntesten Adaptionen ist der Animationsfilm „Rapunzel – Neu verföhnt“ von Disney aus dem Jahr 2010.
Interpretationen zum Märchen „Rapunzel“
Das Märchen „Rapunzel“ der Gebrüder Grimm lässt sich auf verschiedene Weise interpretieren. Einige der gängigen Interpretationen sind:
Bildung und Reifung: Die Geschichte von Rapunzel kann als ein Prozess der persönlichen Entwicklung und Reifung betrachtet werden. Rapunzel wird in einem Turm eingesperrt und muss lernen, sich aus dieser Gefangenschaft zu befreien, um ihre Freiheit und Unabhängigkeit zu erlangen. Sie wächst im Laufe der Geschichte sowohl emotional als auch geistig.
Feminismus und weibliche Emanzipation: Rapunzel ist eine starke, unabhängige Frau, die trotz der Widrigkeiten, die ihr widerfahren, über sich selbst hinauswächst. Sie steht für die Emanzipation der Frau und die Fähigkeit, sich aus unterdrückenden Umständen zu befreien.
Liebe und Loyalität: Die Liebe zwischen Rapunzel und dem Prinzen ist ein zentrales Thema in der Geschichte. Trotz der Trennung und der Entbehrungen bleiben sie einander treu und finden schließlich wieder zueinander.
Die Kraft der Tränen: Rapunzels Tränen, die den Prinzen von seiner Blindheit heilen, symbolisieren die Kraft der Liebe, die selbst die schlimmsten Verletzungen heilen kann. Dies zeigt auch, dass Emotionen und Mitgefühl oft mächtiger sind als körperliche Stärke oder Zauber.
Überwindung von Widrigkeiten: Rapunzel und der Prinz müssen zahlreiche Hindernisse überwinden, um schließlich zusammenzukommen. Ihre Entschlossenheit und ihr Durchhaltevermögen sind beispielhaft und zeigen, dass man trotz aller Schwierigkeiten triumphieren kann, wenn man an sich selbst und an die Liebe glaubt.
Diese Interpretationen sind nur einige der möglichen Perspektiven auf das Märchen „Rapunzel“. Die Geschichte hat viele Facetten und kann in verschiedenen kulturellen und historischen Kontexten unterschiedlich verstanden werden.
Adaptionen zum Märchen „Rapunzel“
Es gibt mehrere Adaptionen des Märchens „Rapunzel“ der Gebrüder Grimm in verschiedenen Medien wie Film, Theater, Literatur und Fernsehen. Hier sind einige bekannte Beispiele:
Filme: „Rapunzel – Neu verföhnt“ (2010): Eine computeranimierte Filmadaption von Disney, die die Geschichte von Rapunzel auf humorvolle und moderne Weise neu erzählt. Rapunzel ist hier ein energiegeladenes, neugieriges Mädchen, das sich mit einem charmanten Dieb namens Flynn Rider zusammentut, um ihre wahre Identität zu entdecken. Hierbei handelt es sich um eine Animationskomödie, in der Rapunzel von einer Hexe entführt und in einem Turm gefangen gehalten wird. Sie wird von einem charmanten Dieb befreit, und die beiden erleben auf ihrer Flucht viele Abenteuer. „Tangled“ ist ein Disney-Film aus dem Jahr 2010, der das Märchen auf humorvolle Weise neu erzählt. In dieser Version wird Rapunzel von einer bösen Hexe namens Gothel in einem Turm gefangen gehalten, weil ihre magischen Haare die Jugend und Schönheit der Hexe erhalten. Rapunzel wird schließlich von einem Dieb namens Flynn Rider befreit, und die beiden erleben gemeinsam viele Abenteuer.
Theaterstücke: „Into the Woods“ (1986): Dieses Musical von Stephen Sondheim und James Lapine verwebt mehrere Grimmsche Märchen, darunter auch „Rapunzel“. In dieser Adaption ist Rapunzel eine von einer Hexe adoptierte und eingesperrte junge Frau, die später von einem Prinzen entdeckt und gerettet wird. „Rapunzel“ ist ein Ballett von Igor Strawinsky aus dem Jahr 1928, das auf dem Märchen basiert. Die Musik und die Choreographie sind von russischen Volksliedern und Tänzen inspiriert.
Bücher: „Zel“ (1997) von Donna Jo Napoli: Eine Jugendbuch-Neuerzählung der Rapunzel-Geschichte, die die Charaktere und ihre Motivationen vertieft. Die Geschichte wird aus der Perspektive von Rapunzel, ihrer Mutter Gothel und dem Prinzen erzählt. „Rapunzel und der Fluch der Hexe“ ist ein Buch von Gudrun Pausewang aus dem Jahr 1999, das eine alternative Geschichte von Rapunzel erzählt. In dieser Version ist Rapunzel keine Gefangene, sondern eine Rebellin, die von einer Hexe unterrichtet wird, um ihre besonderen Fähigkeiten zu nutzen. „Rapunzel, Rapunzel“ ist ein Kinderbuch von Paul O. Zelinsky aus dem Jahr 1997, das das Märchen in reich illustrierter Form neu interpretiert. Die Geschichte wird in eine mittelalterliche Kulisse versetzt, und die Bilder zeigen die detaillierten Kostüme und Umgebungen.
Fernsehserien: „Rapunzel’s Tangled Adventure“ (2017-2020): Eine animierte Fernsehserie von Disney, die auf dem Film „Rapunzel – Neu verföhnt“ basiert. Die Serie begleitet Rapunzel auf ihrer Reise, um ihre Vergangenheit zu entdecken und ihre Zukunft als Prinzessin von Corona zu gestalten.
Kurzfilme: „Rapunzel“ (1979) von Lotte Reiniger: Ein Scherenschnittfilm, der die traditionelle Rapunzel-Geschichte in Reinigers einzigartigem Animationsstil erzählt. Dieser kurze, stumme Film stellt eine der ältesten filmischen Adaptionen des Märchens dar.
Diese Beispiele zeigen, wie das Märchen „Rapunzel“ im Laufe der Jahre in verschiedenen Medien adaptiert und neu interpretiert wurde. Jede Adaption bringt ihren eigenen kreativen Ansatz und ihren eigenen Stil in die klassische Geschichte ein.
Zusammenfassung der Handlung des Märchen „Rapunzel“
Im Märchen „Rapunzel“ der Gebrüder Grimm geht es um ein junges Mädchen namens Rapunzel, das von einer bösen Hexe in einem hohen Turm ohne Türen und Treppen gefangen gehalten wird. Die Handlung beginnt mit einem Ehepaar, das sich sehnlichst ein Kind wünscht. Als die Frau endlich schwanger wird, entwickelt sie einen unwiderstehlichen Heißhunger auf Rapunzelsalat, der im Garten der Hexe wächst.
Der Mann stiehlt den Salat für seine Frau, wird jedoch von der Hexe erwischt. Als Strafe verlangt die Hexe, dass sie das ungeborene Kind erhalten wird, sobald es geboren ist. Das Ehepaar stimmt zögerlich zu. Nach der Geburt des Mädchens holt die Hexe das Kind und nennt es Rapunzel.
Als Rapunzel zwölf Jahre alt ist, sperrt die Hexe sie in einen Turm, der im Wald versteckt ist. Rapunzel hat langes, goldenes Haar, und wenn die Hexe den Turm betreten möchte, ruft sie: „Rapunzel, Rapunzel, lass dein Haar herunter!“ Rapunzel lässt dann ihr langes Haar herab, und die Hexe klettert hinauf.
Eines Tages beobachtet ein Prinz, wie die Hexe den Turm betritt, und beschließt, Rapunzel zu besuchen. Er ruft die gleichen Worte und klettert hinauf. Rapunzel und der Prinz verlieben sich, und er plant, sie aus dem Turm zu befreien. Sie vereinbaren, dass er jeden Abend kommen und Seide für eine Leiter mitbringen soll, um Rapunzel zu helfen, aus dem Turm zu entkommen.
Die Hexe entdeckt jedoch ihre Pläne und schneidet Rapunzels Haare ab, bevor sie den Prinzen in eine Falle lockt. Als der Prinz zu Rapunzel hinaufklettert, findet er stattdessen die Hexe vor. In seiner Verzweiflung stürzt er sich vom Turm und wird blind.
Rapunzel wird von der Hexe in die Wüste verbannt. Der blinde Prinz irrt jahrelang umher, bis er eines Tages Rapunzels Gesang hört. Die beiden finden sich wieder, und Rapunzels Tränen heilen die Blindheit des Prinzen. Schließlich kehren sie in das Königreich des Prinzen zurück und leben glücklich bis ans Ende ihrer Tage.
Historische Ursprünge des Märchen
Die erste schriftliche Aufzeichnung einer Geschichte, die als Rapunzel erkannt werden kann, ist die Petrosinella von Giambattista Basile, übersetzt in Petersilie, die 1634 in Neapel im lokalen Dialekt in einer Sammlung mit dem Titel „Lo cunto de li cunti“, was meint: „Die Geschichte der Geschichten“, veröffentlicht wurde. Diese Version der Geschichte unterscheidet sich von späteren Versionen, da die Frau und nicht der Ehemann die Pflanze stiehlt, das Mädchen vom Bösewicht als Kind und nicht als Baby entführt wird und das Mädchen und der Prinz nicht jahrelang getrennt sind, um am Ende wieder vereint zu werden.
Am wichtigsten ist, dass diese Version der Geschichte eine „Fluchtszene“ enthält, in der Petrosinella magische Eicheln verwendet, die sich in Tiere verwandeln, um den Angreifer abzulenken, während sie das Paar verfolgt, das aus dem Turm flieht. Diese „Fluchtszene“ mit drei magischen Objekten, die zur Ablenkung dienen, findet sich in mündlichen Varianten im Mittelmeerraum, insbesondere in Sizilien (Angiola), Malta (Petersilie und Fenchel) und Griechenland (Anthousa der Schöne mit dem goldenen Haar).
1697 veröffentlichte Charlotte-Rose de Caumont de La Force eine Variation der Geschichte, Persinette, während sie wegen vermeintlichen Fehlverhaltens während des Dienstes am Hofe Ludwigs XIV. in einer Abtei eingesperrt war. Vor ihrer Inhaftierung war de la Force eine prominente Figur in den Pariser Salons und galt als eine der frühen Konteusen als Zeitgenossin von Charles Perrault. Diese Version der Geschichte enthält fast alle Elemente, die in späteren Versionen von den Gebrüdern Grimm gefunden wurden.
Es ist die erste Version, die die außereheliche Schwangerschaft des Mädchens, die List des Bösewichts, die zur Blendung des Prinzen führte, die Geburt von Zwillingen und die Tränen des Mädchens, die dem Prinzen das Augenlicht zurückgaben, enthält. Die Geschichte endet damit, dass der Bösewicht Mitleid mit dem Paar hat und es in das Königreich des Prinzen transportiert. Die Behauptung von de la Force, dass es sich bei Persinette um eine Originalgeschichte handelt, lässt sich zwar nicht belegen, aber ihre Version war die komplexeste zu jener Zeit und führte originelle Elemente ein.
Persinette wurde von Friedrich Schulz ins Deutsche übersetzt und erschien 1790 in Kleine Romane. Jacob und Wilhelm Grimm nahmen die Geschichte in ihre erste Ausgabe 1812 und siebente Ausgabe 1857 von Kinder- und Hausmärchen auf und entfernten Elemente, von denen sie glaubten, sie seien dem „ursprünglichen“ deutschen Märchen hinzugefügt worden. Obwohl die Märchenerzählung der Grimms, die im westlichen Literaturkanon am weitesten verbreitete Version der „Jungfrau im Turm“ ist, scheint die Geschichte keine Verbindungen zu einer germanischen mündlichen Volksmärchentradition zu haben. Bemerkenswert ist, dass die Publikation von 1812 die außereheliche Schwangerschaft beibehält. Man kann argumentieren, dass die Fassung von 1857 die erste war, die für ein hauptsächlich kindliches Publikum geschrieben wurde.
Die frühestmögliche Inspiration für den Archetyp „Jungfrau im Turm“ stammt aus den vorchristlichen europäischen Mythen der Sonnen- oder Morgengöttin, in denen die Lichtgottheit gefangen ist und gerettet wird. Zu ähnlichen Mythen gehört die baltische Sonnengöttin, Saulė, die von einem König in einem Turm gefangen gehalten wird. Die Inspiration kann auch aus dem klassischen Mythos des Helden Perseus entnommen sein. Perseus‘ Mutter, Danaë, wurde von ihrem Vater, Akrisios, dem König von Argos, in einem Bronzeturm gefangen gehalten, um zu verhindern, dass sie schwanger wurde, da das Orakel von Delphi voraussagte, dass sie einen Sohn gebären würde, der seinen Großvater töten würde.
Die Inspiration könnte auch aus dem Leben der Heiligen Barbara von Nicomedia kommen, einer schönen Frau, die von ihrem Vater in einen Turm eingesperrt wurde, um sie vor Männern zu verstecken. Während sie sich im Turm aufhielt, konvertierte sie zum Christentum und wird schließlich für ihren Glauben gemartert, nachdem eine Reihe von Wundern ihre Hinrichtung verzögert hatte. Ihre Geschichte wurde in Das Buch der Stadtdamen von Chirstine de Pizan aufgenommen, das für spätere Schriftsteller sehr einflussreich gewesen sein könnte, da es in ganz Europa populär war. Die früheste erhaltene Erwähnung einer weiblichen Figur mit langen Haaren, die sich einem männlichen Liebhaber anbietet, der eine Leiter hinaufzusteigt, findet sich in dem epischen Gedicht Shahnameh von Ferdowsi. Die Heldin der Geschichte, Rudāba, bietet ihr Haar an, damit ihr Geliebter Zāl in den Harem eintreten kann, in dem sie lebt. Zāl sagt stattdessen, dass sie ein Seil herunterlassen soll, damit sie sich nicht verletzt.
Informationen für wissenschaftliche Analysen
Kennzahl | Wert |
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Nummer | KHM 12 |
Aarne-Thompson-Uther-Index | ATU Typ 310 |
Übersetzungen | DE, EN, EL, DA, ES, FR, PT, IT, JA, NL, KO, PL, RO, RU, TR, VI, ZH |
Lesbarkeitsindex nach Amstad | 73.5 |
Lesbarkeitsindex nach Björnsson | 36.7 |
Flesch-Reading-Ease Index | 61.7 |
Flesch–Kincaid Grade-Level | 9.7 |
Gunning Fog Index | 10.3 |
Coleman–Liau Index | 11 |
SMOG Index | 11.6 |
Automated Readability Index | 10.2 |
Zeichen-Anzahl | 7.691 |
Anzahl der Buchstaben | 6.056 |
Anzahl der Sätze | 65 |
Wortanzahl | 1.331 |
Durchschnittliche Wörter pro Satz | 20,48 |
Wörter mit mehr als 6 Buchstaben | 216 |
Prozentualer Anteil von langen Wörtern | 16.2% |
Silben gesamt | 1.957 |
Durchschnittliche Silben pro Wort | 1,47 |
Wörter mit drei Silben | 139 |
Prozentualer Anteil von Wörtern mit drei Silben | 10.4% |