Vorlesezeit für Kinder: 6 min
»Es war einmal ein Mann, in dessen Haus wohnte eine Schlange, die wurde von dem Weibe dieses Mannes wohl gehalten und bekam täglich ihre Nahrung. Sie hatte ihre Wohnung ganz nahe bei dem Herde, wo es immer hübsch warm war, in einem Mauerloch. Der Mann und das Weib bildeten sich ein, nach dem herrschenden Aberglauben, dass es Glück bringe, wenn eine Schlange im Hause sei! Nun geschah es an einem Sonntag, dass dem Hausherrn das Haupt schmerzte, deshalb blieb er früh in seinem Bett liegen, und hieß die Frau und das Gesinde in die Kirche gehen. Da gingen sie alle aus, und es war nun ganz still im Hause; jetzt schlüpfte die Schlange leise aus ihrem Loch und sah sich allenthalben sehr um. Das sah der Mann, dessen Kammer offenstand, und wunderte sich im stillen, dass sich die Schlange, gegen ihre sonstige Gewohnheit so sehr umsah.
Sie durchkroch alle Winkel und kam auch in die Kammer und guckte hinein, sah aber niemand, denn der Hausherr hatte sich verborgen. Und nun kroch sie auf den Herd, wo ein Topf mit der Suppe am Feuer stand, hing ihren Kopf darüber und spie ihr Gift in den Topf, darauf verbarg sie sich wieder in ihrer Höhle. Der Hausherr stieg alsbald auf, nahm den Topf und grub ihn mit Speise und Gift in die Erde. Wie nun die Zeit da war, dass man essen wollte, wo auch die Schlange gewöhnlich hervorzukommen pflegte, stellte sich der Mann mit einer Axt vor das Loch, willens, sobald sie herausschlüpfen werde, ihr den Kopf vom Rumpfe zu hauen. Aber die Schlange steckte ganz vorsichtig ihren Kopf erst nur ein klein wenig aus dem Loch, und wie der Mann zuschlug, fuhr sie blitzschnell zurück und zeigte, dass sie kein gutes Gewissen hatte.
Nach einigen Tagen redete die Frau ihrem Manne zu, er solle mit der Schlange Frieden schließen, sie würde wohl nicht wieder so Böses tun; der Hauswirt war gutwillig und rief einen Nachbarn, der sollte Zeuge sein des Friedensbundes mit der Schlange und einen Vertrag mit ihr aufrichten, dass eins sicher sein sollte vor dem andern. Hierauf riefen sie der Schlange und machten ihr den Antrag; die Schlange aber sagte: ›Nein! – Unsre Gesellschaft kann fürder in Treuen nicht mehr bestehen, denn, wenn du daran denkst, was ich dir in deinen Topf getan, und wenn ich bedenke, wie du mir mit scharfer Axt nach meinem Kopf gehauen hast, so möchte wohl keiner von uns dem andern trauen. Darum gehören wir nicht zusammen; gib du mir frei Geleit, das ist alles, was ich von dir begehre, und lass mich meine Straße ziehen, je weiter von dir, desto besser, und du bleibe ruhig in deinem Hause.‹ Und also geschah es.«
Der Rabe, als er diese Erzählung aus dem Mund des Mäusleins Sambar vernommen hatte, nahm wieder das Wort und sprach: »Ich fasse wohl die Lehre, die dein Märlein in sich hält, allein bedenke deine Natur und meine Aufrichtigkeit, sei minder streng, und weigere mir nicht deine Genossenschaft. Es ist ein Unterschied zwischen edel und unedel; der Becher aus Gold hält länger als der aus Glas, und wenn der Glaspokal zerbricht, so ist er hin, leidet aber der Goldpokal, so ist der Wert noch nicht verloren. Die Freundschaft der bösen und unedlen Gemüter ist gar keine Freundschaft, du aber hast ein edles Gemüt, das hab ich wohl erkannt, und so sehnt sich mein Herz nach deiner Freundschaft und bedarf ihrer, und ich werde nicht weichen vom Eingang deiner Wohnung und nicht eher essen noch trinken, bis du meiner Bitte Gehör gegeben!«
Darauf sprach das kluge Mäuslein Sambar: »Ich nehme jetzt deine Gesellschaft an, denn ich habe noch nie eine billige Bitte ungewährt gelassen. Du magst aber wohl erwägen, dass ich mich nicht zu dir gedrängt, auch dass ich in meiner Wohnung sicher vor dir bin, aber ich begehre nützlich zu sein allen, die meiner Hilfe begehren, darum rühme dich nicht etwa: Haha, ich habe eine unvorsichtige und unvernünftige Maus gefunden! – damit es dir nicht gehe, wie dem Hahn mit dem Fuchs.«
»Wie war das?« fragte der Rabe, und da erzählte das Mäuslein ein Gleichnis: Der Hahn und der Fuchs

Hintergründe
Interpretationen
Analyse
kamen einst in einen Streit darüber, wer von ihnen der Klügere sei. Der Fuchs, bekannt für seine List, versuchte den Hahn zu täuschen, indem er ihm schmeichelte und sagte, dass alle Tiere im Wald beschlossen hätten, Frieden zu schließen und dass der Hahn herunterkommen solle, um diesen Frieden zu feiern. Der Hahn, der die List des Fuchses durchschaute, tat, als ob er nichts bemerkt hätte, und sagte: „Das ist ja wunderbare Neuigkeiten! Schau, dort hinten kommen schon einige Hunde, sie werden die Feier sicherlich mit Freude begleiten. “
Der Fuchs, der Angst vor den Hunden hatte, geriet in Panik und wollte schnellstens fliehen. „Warum läufst du denn weg, wenn doch Frieden unter uns herrschen soll?“ Der Fuchs erkannte, dass er vom Hahn hinters Licht geführt worden war, und rief zurück: „Vielleicht feiern die Hunde den Frieden nicht so wie wir es tun würden. “
Und so bewies der Hahn, dass er nicht nur ein kluger, sondern auch ein vorsichtiger Vogel war. Er wusste, dass man nicht jedem scheinbaren Freund trauen kann und dass Wachsamkeit selbst in Zeiten des vermeintlichen Friedens wichtig ist.
In diesem Sinne wollte das Mäuslein Sambar dem Raben klarmachen, dass wahre Freundschaft auf gegenseitigem Vertrauen und Ehrlichkeit basiert. Es warnte den Raben davor, die Verbindung mit einer listigen Absicht einzugehen, da dies meist nicht im eigenen Interesse endet. Das Märchen zeigt, dass man der Natur eines Wesens Beachtung schenken sollte, bevor man sich auf seine Freundschaft einlässt.
Ludwig Bechsteins Märchen „Der Mann und die Schlange“ bietet eine tiefgründige Erzählung über Misstrauen und die unausweichlichen Konsequenzen, die aus einer einmal zerstörten Vertrauensbasis resultieren. Die Schlange, die ursprünglich als Glückssymbol betrachtet wurde, offenbart ihre schädliche Natur, als sie Gift in die Suppe des Hausherrn spuckt. Dies führt zu einem unausgesprochenen Bruch zwischen der Schlange und dem Hausherrn. Trotz des Versuchs, durch einen Friedensvertrag das Verhältnis zu reparieren, verweigert die Schlange die Versöhnung und fordert stattdessen ein Ende der Beziehung.
Diese Geschichte lehrt uns, dass Vertrauen, einmal gebrochen, nur schwer oder gar nicht wiederhergestellt werden kann. Die Natur der Schlange — die leichtfertig mit Gift operiert — und die Reaktion des Hausherrn mit der Axt spiegeln zwei konträre Ansätze im Umgang mit Gefahr und Misstrauen wider. Ihre Entscheidung, sich auf Dauer zu trennen, symbolisiert die Erkenntnis, dass bestimmte Unterschiede und Verletzungen der Loyalität nicht überwunden werden können.
In der Folge wird die Erzählung im Dialog zwischen dem Raben und dem Mäuslein Sambar reflektiert. Der Rabe sieht in dieser Geschichte eine Lektion und versucht, das Mäuslein von seiner Aufrichtigkeit zu überzeugen. Er zieht einen Vergleich zwischen edlen und unedlen Gegenständen, um zu verdeutlichen, dass wahre Freundschaft wertvoll und beständig ist, im Gegensatz zu der vergänglichen Natur unedel gesinnter Verbindungen.
Das Mäuslein nimmt schlussendlich die Gesellschaft des Raben an, gibt jedoch zu bedenken, dass sie sich nicht aufdrängen ließ und sich ihrer Sicherheit bewusst ist. Der Verweis auf die Fabel von „Hahn und Fuchs“, die das Mäuslein andeutet, könnte eine weitere Lehre über List und Vorsicht enthalten, die den Umgang mit möglichen Bedrohungen illustriert.
Insgesamt reflektiert die Geschichte die Themen Vertrauen, Verrat und die Weisheit, Beziehungen sorgfältig auszuwählen und zu pflegen. Sie zeigt, dass Ehrlichkeit und edle Absichten wertvolle Grundlagen für jede Freundschaft sind.
Die Analyse von Ludwig Bechsteins Märchen „Der Mann und die Schlange“ enthüllt mehrere tiefere Ebenen. Zunächst einmal zeigt die Geschichte die Dualität von Glauben und Misstrauen. Der Mann und seine Frau halten die Schlange zunächst für ein Zeichen des Glücks, was auf den abergläubischen Glauben hinweist, der in vielen Kulturen existiert. Doch dieser Glaube wird auf die Probe gestellt, als die Schlange Gift in die Suppe spuckt.
Ein zentraler Punkt der Erzählung ist das Thema des Betrugs und Misstrauens. Die Schlange begeht einen Verrat, indem sie die Suppe vergiftet, was das Vertrauen zwischen ihr und dem Hausherrn zerstört. Ebenso misstraut der Mann der Schlange, weil er erfährt, dass sie zur Gefahr geworden ist, obwohl sie lange Zeit friedlich und nützlich erschien. Diese Situation zeigt, wie schnell und unumkehrbar Vertrauen verloren gehen kann.
Die Schlange und der Mann beschließen schließlich, getrennte Wege zu gehen. Dies verdeutlicht die Einsicht, dass gegensätzliche Wesen oder Parteien, die einander nicht mehr trauen können, besser getrennt bleiben sollten, anstatt ihren Konflikt weiter eskalieren zu lassen.
Die nachfolgende Geschichte, die ein Gespräch zwischen dem Raben und dem Mäuslein Sambar beinhaltet, liefert eine ähnliche Lektion, jedoch mit einem positiveren Ausklang. Der Rabe appelliert an die Natur des Mäusleins und betont Unterschiede zwischen Edelmut und Niedrigkeit. Diese Erzählung unterstreicht, dass wahre Freundschaften auf gegenseitigem Respekt und edler Gesinnung basieren müssen.
In beiden Mahnwachen steckt die Lehre, dass Vertrauen und Integrität wesentliche Grundlagen für jede Beziehung sind. Ein Mangel daran kann zu irreparablen Brüchen führen, während eine edlere Gesinnung Hoffnung auf Versöhnung und Zusammenarbeit bietet. Die Märchen illustrieren auf prägnante Weise, wie wichtig es ist, die Natur von Beziehungen zu verstehen und durchdachte Entscheidungen zu treffen, wenn es um die Bindungen, die wir eingehen, geht.
Informationen für wissenschaftliche Analysen
Kennzahl | Wert |
---|---|
Lesbarkeitsindex nach Amstad | 67.8 |
Lesbarkeitsindex nach Björnsson | 44.5 |
Flesch-Reading-Ease Index | 56.7 |
Flesch–Kincaid Grade-Level | 12 |
Gunning Fog Index | 13.5 |
Coleman–Liau Index | 11.3 |
SMOG Index | 11.8 |
Automated Readability Index | 12 |
Zeichen-Anzahl | 3.737 |
Anzahl der Buchstaben | 2.981 |
Anzahl der Sätze | 23 |
Wortanzahl | 647 |
Durchschnittliche Wörter pro Satz | 28,13 |
Wörter mit mehr als 6 Buchstaben | 106 |
Prozentualer Anteil von langen Wörtern | 16.4% |
Silben gesamt | 930 |
Durchschnittliche Silben pro Wort | 1,44 |
Wörter mit drei Silben | 51 |
Prozentualer Anteil von Wörtern mit drei Silben | 7.9% |