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Der Schäfer und die Schlange
Grimm Märchen

Der Schäfer und die Schlange - Märchen von Ludwig Bechstein

Vorlesezeit für Kinder: 9 min

Es war einmal ein armer Schäferknabe in einem friedlichen, anmutig gelegenen Dörfchen; bei dem Dörfchen war ein Tal und ein gar trautes Ortlein, an welches der Schäferknabe immer seine Herde hintrieb, und es schien, als habe der Schäfer diesen stillen Ort sich zum Lieblingsplätzchen erwählt. Er aß nicht eher sein Mittagsbrot und suchte nicht eher die kühle Ruhe, bis er an das traute Plätzchen kam. Dorthin zog ihn immer eine unerklärliche Sehnsucht.

Das Plätzchen selbst war ganz einfach: ein roher Stein lag nur da, unter welchem eine Quelle murmelte, und ein wilder Birnbaum stand dabei, der den Stein überschattete mit seinen dichtbelaubten Zweigen. Doch der Knabe fühlte sich immer so froh, wenn er an diesem Stein aß, aus der Quelle trank, und wenn der Stein sein Ruhekissen war, und es war ihm dann, als höre er ein geheimnisvolles Singen und Seufzen unter dem Stein; dann lauschte er, entschlummerte dann und träumte. Immer war ihm, als umschwebe seine Seele ein geheimes, überirdisches Glück. War er fortgetrieben mit der Herde, und war er abends heimgetrieben, so bemächtigte sich seiner wieder diese unerklärliche Sehnsucht; er mochte unter der Schar der muntern Dorfburschen und Mädchen nicht lustig singend und schäkernd mit umherziehen, wenn es Feierabend war, vielmehr ging er still und allein und wurde sogar traurig. Doch brach der neue schöne Morgen wieder an und zog er mit seiner Lämmerherde wieder hinaus auf Flur und Raine, so wurde sein Sinn heiter und immer heiterer, bis er den lieben Stein, den Schatten des trauten Birnbaums erreicht hatte. Oft auch, wenn er dort rastete und auf seiner Flöte blies, begab es sich, dass eine silberweiße Schlange unter dem Stein hervorkam, die sich erst vertraulich an seine Füße schmiegte, sich dann empor wand und den Schäfer anblickte, bis zwei große Tränen aus ihren Augen quollen, und die dann leise wieder unter den Stein schlüpfte. Da wurde dem Schäfer allemal so eigentümlich, so wunderbar zumute. Sein Herz war froh und doch unaussprechlich wehmütig.

Zuletzt ging der Schäfer gar nicht mehr unter die muntere Zahl der Burschen und Mädchen, das helle lustige Getöse war ihm ganz zuwider, dagegen tat ihm die einsame Stille so wohl und wurde ihm immer lieber.

An einem schönen Frühlingssonntag, dem Sonntage Trinitatis, den die Landleute den »goldenen Sonntag« nennen und besonders hochhalten und festlich feiern, wo unter der Dorflinde ein lustiger Tanz gehalten werden sollte, lenkte der stille Schäferknabe, von jener unaussprechlichen Sehnsucht getrieben, in der Mittagsstunde seine Schritte dem einsamen Tal zu, wo der Stein und der Birnbaum waren. Er grüßte heiter das traute Plätzchen, setzte sich stilldenkend nieder und lauschte dem Flüstern der Baumblätter und dem geheimnisvollen Geplauder unter dem Steine. Da wurde es mit einemmal so licht vor seinen Blicken, ein Bangen durchzitterte sein Herz, er blickte auf und sah eine holde Gestalt in weißem Kleide, gleich einem Engel, vor sich stehen, mit sanftem Blick und gefalteten Händen; und trunkenen Sinnes hörte der Schäfer eine süße Stimme ihm zuflüstern: »O Jüngling, sei nicht bange, O höre das Flehen eines unglücklichen Mädchens, stoße mich nicht von dir und entfliehe nicht vor meinem Jammer. Ich bin eine edle Prinzessin, bin unermesslich reich an Perlen- und Goldschätzen; aber ich schmachte schon viele Jahrhunderte verzaubert und verbannt hier unter diesem Stein und muss in einem Schlangenleib umherschleichen. So erschaute ich dich hier oft und gewann die Hoffnung, du könntest mich erlösen, du seiest noch rein im Herzen wie ein Kind. Und diese jetzige Stunde, am goldnen Sonntag um die Mittagsstunde, diese allein im ganzen Jahr ist mir vergönnt, in meiner wahren Gestalt auf der Erde zu wandeln; und fände ich da einen Jüngling reinen Herzens, so dürfe ich ihn um meine Erlösung ansprechen. Befreie mich, du Teurer, befreie mich, um alles Heiles willen flehe ich dich an.« Da sank das Mädchen nieder vor die Füße des Schäfers, und umfasste sie fest und blickte in Tränen zu ihm empor.

Dem Jüngling aber bebte das Herz vor Entzücken, und er hub das Engelmägdlein auf und stammelte: »O sage nur, was soll ich tun, wie soll ich dich befreien, du schöne Liebe?«

Sie sprach: »Komm morgen um dieselbe Stunde wieder hierher, und wenn ich da in meinem Schlangenleib dir erscheine und dich umwinde und dich dreimal küsse, so erschrick nur nicht, O so erschrick nur nicht, sonst muss ich abermals auf Hunderte Jahre hier verzaubert schmachten.« Sie verschwand in diesem Augenblick; und es tönte wieder ein leises Singen und Seufzen unter dem Stein hervor.

Am folgenden Tage um die Mittagsstunde harrte der Schäfer, nicht ohne Bangen, an jenem Ort, er flehte zum Himmel um Stärke und Standhaftigkeit in dem grauenvollen Augenblick des Schlangenkusses. Und schon wand sich die Schlange silberweiß unter dem Stein hervor, schlich dem Jüngling zu, ringelte sich um seinen Leib und hob das Schlangenhaupt mit den hellen Augen empor zum Kusse; aber der Jüngling blieb stark und duldete die drei Küsse. Da geschah ein mächtiger Schlag, da rollten furchtbare Donner um den ohnmächtig hingesunkenen Jüngling, und wie er wieder erwachte, lag er auf weichen, seidenen Kissen in einem wundervoll geschmückten Zimmer, und das holde Mädchen kniete vor seinem Lager und hielt seine Hand an ihr Herz. »O sei gedankt, Himmel!« rief sie, als er die Augen aufschlug, »O habe Dank, Herzensjüngling, für meine Rettung, und nimm zum Lohn mein schönes Land und dieses schöne Schloss mit allen kostbaren Schätzen, und nimm mich als deine treue Frau an. Du sollst nun glücklich sein und sollst Freuden die Fülle haben.«

Und dieser Schäfer wurde glücklich und froh; jene Sehnsucht seines Herzens, die ihn so oft hin nach dem Stein, zur stillen Einsamkeit, getrieben – ward herrlich befriedigt. Er lebte, der Welt entrückt, im Schoße des Glücks, mit seiner schönen Gemahlin; und er sehnte sich nicht auf die Erde, nicht zu seinen Lämmern zurück. Aber in jenem Dorfe war ein großes Leid um den so plötzlich verschwundenen Schäfer, die Leute suchten ihn im Tal, bei dem Stein unterm Birnbaum, wo er zuletzt hingegangen war, doch weder der Schäfer, noch der Stein, noch die Quelle, noch der Birnbaum waren mehr zu finden, und kein Auge sah von diesen allen je das mindeste wieder.

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Hintergründe

Interpretationen

Analyse

„Der Schäfer und die Schlange“ ist ein Märchen von Ludwig Bechstein, das klassische Motive und Themen aufgreift, die in vielen traditionellen Geschichten vorkommen.

Sehnsucht und Einsamkeit: Der Schäferknabe empfindet eine unerklärliche Sehnsucht nach dem ruhigen Plätzchen, das ihm Frieden und Glück bringt, anstatt sich unter die lebensfrohen Dorfbewohner zu mischen. Dieser Aspekt des Märchens spiegelt die Idee wider, dass wahres Glück oft in der inneren Einkehr und in der Einsamkeit zu finden ist, anstatt im Trubel der Gesellschaft.

Verwandlung und Erlösung: Die silberweiße Schlange, die eigentlich eine verzauberte Prinzessin ist, greift das verbreitete Märchenmotiv der verwandelten Gestalt auf. Der Held, in diesem Fall der reine, kindlich gebliebene Schäferknabe, wird auserwählt, die Prinzessin von ihrem Fluch zu befreien. Diese Aufgabe erfordert Mut und Reinheit des Herzens, Eigenschaften, die häufig mit jugendlichen Charakteren assoziiert werden.

Prüfung und Mut: Der Schäfer muss eine große Prüfung bestehen, indem er stillhält, während die Schlangengestalt ihn umwindet und küsst. Dies ist ein Symbol für die Überwindung von Angst und Ekel, um ein höheres Gut zu erreichen. Es zeigt, dass wahre Liebe und Belohnung oft Opfer und Mut erfordern.

Zauber und Belohnung: Nach dem Bestehen der Prüfung wird der Schäfer in ein Märchenreich voller Reichtümer entführt, was häufig das ultimative Belohnungsmotiv im Märchen ist. Die plötzliche Verwandlung in ein luxuriöses Leben repräsentiert die Belohnung für Reinheit und Durchhaltevermögen.

Verschwinden des Altbekannten: Das Verschwinden des Schäfers und der vertrauten Elemente (Stein, Quelle, Birnbaum) aus dem Dorf stellt die Themen von Transformation und Verlust der bekannten Welt dar, die oft auftreten, wenn man in eine neue Lebensphase übergeht.

Ludwig Bechsteins Märchen mischen Realismus mit übernatürlichen Elementen und bieten tiefe Einblicke in menschliche Emotionen und das Streben nach Glück jenseits der sichtbaren Welt. In „Der Schäfer und die Schlange“ ist es die Reinheit des Herzens, die letztlich zu Erlösung und Glück führt, ein Thema, das in der Märchenliteratur universell gefeiert wird.

„Der Schäfer und die Schlange“ von Ludwig Bechstein ist ein Märchen, das sich wie viele andere Geschichten aus diesem Genre mit Themen von Erlösung, Verwandlung und der Kraft des reinen Herzens beschäftigt. Es bietet Raum für unterschiedliche Interpretationen, von denen einige wie folgt sein könnten:

Moralische Reinheit und Belohnung:
Das Märchen bringt die Idee zum Ausdruck, dass Personen mit einem reinen und guten Herzen letztlich belohnt werden. Der Schäferknabe ist unschuldig und voller reiner Sehnsucht, was ihn dazu befähigt, die verzauberte Prinzessin zu erlösen. Dies zieht Parallelen zu anderen klassischen Märchen, bei denen die Tugendhaften letztendlich Glück und Erfüllung finden.

Die Macht der Liebe:
Die Geschichte legt nahe, dass Liebe und Mitgefühl mächtige Kräfte sind, die Flüche brechen und Transformationen bewirken können. Der Schäferknabe wird von einem einfachen Leben in eine Existenz voller Glück und Reichtum versetzt, weil er dem Flehen der Prinzessin mit Empathie begegnet.

Die Dualität des Menschseins:
Das wiederkehrende Motiv der Schlange als verzaubertes Wesen könnte als Symbol für die Dualität in jedem Menschen interpretiert werden. Es zeigt, dass in jedem von uns sowohl einfach-irdische als auch verzauberte, edlere Aspekte existieren. Der Schäfer erfährt durch seine Interaktion mit der Schlange diese Verbindung zu einer höheren Ebene des Daseins.

Naturverbundenheit:
Der Schäfer ist ein Symbol für die Verbindung des Menschen mit der Natur; er ist am glücklichsten in der friedlichen Umgebung des Birnbaums und des murmelnden Baches. Diese Kulisse unterstützt die Überzeugung, dass wahres Glück oft in der Einfachheit und Harmonie mit der Natur zu finden ist.

Transformation durch Mut und Standhaftigkeit:
Das Märchen betont auch, dass Mut und Standhaftigkeit in herausfordernden Situationen entscheidend sind. Der Schäfer muss seine Ängste überwinden, um den Kuss der Schlange auszuhalten und so die Prinzessin zu befreien. Dies könnte als Allegorie auf das Überwinden persönlicher Herausforderungen verstanden werden.

Insgesamt behandelt das Märchen universelle Themen und Werte in einer Weise, die sowohl lehrreich als auch inspirierend sein kann. Es zeigt, dass Wunder oft in der Treue zum Herzen und in der Standhaftigkeit gegenüber Widrigkeiten zu finden sind.

Die linguistische Analyse des Märchens „Der Schäfer und die Schlange“ von Ludwig Bechstein könnte mehrere interessante Aspekte umfassen, wie beispielsweise die Erzählstruktur, den Einsatz von sprachlichen Mitteln und die Symbolik.

Erzählstruktur: Das Märchen folgt einer klassischen Erzählstruktur, die sich in drei Hauptteile gliedern lässt: Einführung, Konflikt und Lösung. Der Schäferknabe wird zunächst in seiner alltäglichen Umgebung vorgestellt und es wird seine unerklärliche Sehnsucht beschrieben. Der Konflikt entsteht durch das Erscheinen der Schlange, die eigentlich eine verzauberte Prinzessin ist, und die eingegangene Aufgabe, die den Schäfer vor eine Herausforderung stellt. Die Auflösung erfolgt durch das Bestehen der Prüfung, die zur Erlösung der Prinzessin und zur Belohnung des Schäfers führt.

Sprachliche Mittel

Metaphern und bildliche Sprache: Der Text verwendet eine bildreiche Sprache, um emotionale und atmosphärische Eindrücke zu vermitteln (z. B. „ein geheimnisvolles Singen und Seufzen“, „überirdisches Glück“).
Symbolik: Der Stein, die Quelle, der Birnbaum und die Schlange sind symbolische Elemente. Der Stein könnte Beständigkeit oder Unveränderlichkeit symbolisieren, die Quelle Lebensfluss oder Reinheit, der Birnbaum Wachstum und Fruchtbarkeit, und die Schlange Verwandlung oder Gefahr.
Wiederholungen und Parallelismus: Diese werden verwendet, um Aufmerksamkeit auf bestimmte Aspekte zu lenken und um die dramatische Spannung aufzubauen (z. B. die Wiederholung der unerklärlichen Sehnsucht und der dreifache Kuss der Schlange).

Charakter und Symbolik

Der Schäfer: Repräsentiert Unschuld, Einfachheit und Reinheit. Seine Reinheit des Herzens ist es, die die Prinzessin erlöst.
Die Schlange/Prinzessin: Symbolisiert den verborgenen Wert und Schönheit, die unter einem unansehnlichen oder gefährlichen Äußeren liegen kann. Sie steht auch für das Thema der Verwandlung und der Erlösung von einem Fluch.
Ort der Handlung: Der Stein unter dem Birnbaum ist ein magischer Ort des Übergangs zwischen der Realität und dem Märchenhaften. Er ist auch der Ort der Sehnsucht und letztlich der Verwandlung.

Themen

Erlösung und Verwandlung: Ein zentrales Thema ist die Verwandlung durch Liebe und Mut.
Sehnsucht: Die unerklärliche Anziehung und Sehnsucht nach dem Besonderen zieht sich durch das gesamte Märchen.
Überwindung von Angst: Mut wird belohnt, indem der Schäfer die Furcht vor dem Schlangenkuss überwindet.

Insgesamt nutzt Bechstein klassische Märchenelemente und sprachliche Mittel, um eine tiefere moralische und emotionale Botschaft zu transportieren, die den Leser zur Reflexion über Themen wie Liebe, Mut und die Suche nach dem Glück anregt.


Informationen für wissenschaftliche Analysen

Kennzahl
Wert
Lesbarkeitsindex nach Amstad62.6
Lesbarkeitsindex nach Björnsson50.8
Flesch-Reading-Ease Index49
Flesch–Kincaid Grade-Level12
Gunning Fog Index13.8
Coleman–Liau Index12
SMOG Index12
Automated Readability Index12
Zeichen-Anzahl3.779
Anzahl der Buchstaben3.070
Anzahl der Sätze22
Wortanzahl609
Durchschnittliche Wörter pro Satz27,68
Wörter mit mehr als 6 Buchstaben141
Prozentualer Anteil von langen Wörtern23.2%
Silben gesamt934
Durchschnittliche Silben pro Wort1,53
Wörter mit drei Silben63
Prozentualer Anteil von Wörtern mit drei Silben10.3%
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