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Rotkehlchen und Kohlmeischen
Grimm Märchen

Rotkehlchen und Kohlmeischen - Märchen von Ernst Moritz Arndt

Vorlesezeit für Kinder: 10 min

Ein Rotkehlchen und Kohlmeischen waren einst ein paar hübsche Dirnen, Töchter einer alten frommen Witwe, die sich vom Spinnen, Nähen und Waschen und von anderer Arbeit knapp aber doch ehrlich ernährte. Sie hatte nur diese beiden Kinder, von welchen die älteste Grethchen und die jüngste Kathrinchen hieß. Sie hielt, wie sauer es ihr auch ward, die Kinder immer nett und reinlich in Kleidung und schickte sie fleißig zu Kirche und Schule, und als sie größer wurden, unterwies sie sie in allerlei künstlicher Arbeit mit der Schere und Nadel und hielt sie still in ihrem Kämmerlein in aller Ehrbarkeit und Tugend. Und Grethchen und Kathrinchen gediehen, dass es eine Freude war, und wurden eben so hübsch und fein, als sie fleißig und ehrbar waren; so dass alle Menschen ihre Lust an ihnen hatten und die Nachbarn sie ihren Töchtern als rechte Muster zeigten und lobten. Die Witwe starb und die beiden Schwestern blieben in ihrem Häuschen und lebten, wie sie mit der Mutter bisher getan, von ihrer Hände Arbeit. Aber es blieb nicht lange mehr so still in dem Häuschen, als es sonst gewesen war.

Die Falken und Habichte, welche auf schönes junges Blut lauren, merkten, dass die Hüterin weg war, welche die Täubchen sonst bewacht hatte, und es fanden sich häufig lose junge Gesellen ein, welche die Mädchen zu Tänzen und Gelagen und zu Spaziergängen auf die Dörfer verlocken wollten. Die beiden Schwestern wehrten sich einige Wochen tapfer, aber endlich ließen sie sich bewegen und gingen mit und dachten, es kann doch wohl keine Sünde sein, was so viele Frauen und Mädchen tun, die niemand unehrlich nennt. Zuerst kam es ihnen bei diesen Tänzen doch zu wild vor und sie sahen nicht einmal lange zu sondern gingen früh weg und waren vor Sonnenuntergang wieder zu Hause und ließen sich nicht bis in die Nacht hinein halten, wie viel die, welche sie mitgenommen hatten, auch locken mochten. Das zweite und dritte Mal tanzten sie schon mit, gingen aber bei Tage heim, und mit etwas schwerem Herzen, und nahmen sich deswegen vor, den nächsten Sonntag zu Hause zu bleiben. Aber das Worthalten war schwer, denn die jungen Gesellen kamen immer wieder und baten zu schön. Das vierte und fünfte Mal blieben sie schon bis nach Sonnenuntergang, und das sechste und siebente Mal hatte die Glocke zwölf geschlagen, als sie heim kamen, und sie mussten ihre Wirtin herauspochen, dass sie ihnen die Türe aufschlösse, und als die alte Frau sie ermahnte und sie ihrer seligen Mutter erinnerte, lachten sie schon und sprachen: Ach! die Mutter und ihr! wann die Mäuse keine Zähne mehr haben, schelten sie auf die Nussknacker; ihr werdet auch getanzt haben, als ihr jung wart.

Die Mädchen waren zu Hause noch immer sehr fleißig, auch hatten sie noch nichts Unehrbares getan noch gelitten, aber die Türe zum Bösen war geöffnet, und Leichtsinn und Leichtfertigkeit nahmen von Tage zu Tage zu, und nun ward auch schon mancher kostbare Wochentag mit Nichtstun und Herumprangen vertändelt und verquändelt, den sie sonst auf nützliche Arbeit verwendet hatten. Auch in ihrem Kämmerchen musste alles anders werden; die Vögel waren lustig und bunt geworden, es musste alles blankere und zierlichere Federn anziehen: neue Tische, neue Stühle, neue Vorhänge, feinere Kleider und Schuhe. Aber mit dem alten Hausrat schien auch der mütterliche Segen, der bisher sichtbar auf den Kindern geruht hatte, aus dem Hause gezogen zu sein. So schlich sich das Unglück mit dem Leichtsinn ein; erst hielt sie der Böse nur an einem dünnen seidenen Fädchen, zuletzt hat er sie mit einem dicken Kabeltau der Sünde umflochten und sie haben die Schwere und den Schmutz desselben gar nicht mehr gefühlt.

Grethchen und Kathrinchen hatten immer viele schöne Arbeit und kostbare Zeuge unter Händen, woraus sie Schmuck und Kleider stickten und nähten. Sie gebrauchten jetzt mehr Geld als sonst, sie fingen allmählich an zu mausen, ach! sie stahlen zuletzt. Einmal hatten sie einen bunten seidenen Rock gestohlen, der in einem Nachbarhause am Fenster hing, und an einen herumziehenden Juden verkauft. Ein armer Schneidergesell, bei welchem man viele bunte Lappen und Streifen Zeug gefunden, die er auch wohl gemaust haben mochte, war darüber angeklagt, gerichtet und gehängt worden. Er hing und baumelte an dem lichten Galgen. Eines Abends spät kamen die beiden Dirnen mit andern Gesellen und Gesellinnen von einem Dorftanze zurück und der Weg ging an dem Galgen vorbei. Da rief einer aus der Schar, ein leichtfertiger Gesell: Fritz Schneiderlein! Fritz Schneiderlein! wie teuer wird dir dein bunter Rock! Kaum aber hatte er das Wort gesprochen, so schlug die Sünde wie ein Blitz in die beiden Dirnen, die schuld waren an des armen Schneiders Tod. Sie stürzten beide wie tot zur Erde hin, und die andern, die es sahen, liefen voll Schrecken weg, als hätten ihnen alle Galgenvögel schon in dem Nacken gesessen. Sie haben die Geschichte in der Stadt erzählt, und die Leute sind hingegangen, aber die beiden Dirnen haben sie nimmer gefunden.

Und wie hätten sie sie finden sollen? Sie waren in Vögel verwandelt und müssen nun in der weiten Welt herumfliegen. Grethchen ist ein Rothkehlchen geworden und Kathrinchen ein Kohlmeischen; denn Grethchen trug immer ein rotes seidenes Tuch um den Hals und Kathrinchen ein gelbes. So müssen sie nun als kleine Vögel in den Wäldern rundfliegen und Hunger und Durst leiden, Hitze und Kälte aushalten und vor Sperbern und Falken, vor Schlangen und Ottern, vor Jägern und wilden Buben zittern. Das hatte ihre Mutter wohl nicht gedacht, als sie so sittig und fein mit ihr in dem Kämmerlein saßen und stickten und webten und näheren und Abends und Morgens bei dein Zubettgehen und Aufstehen mit heller Stimme geistliche Lieder sangen. Aber die armen Kinder sind zuerst verlockt dann verführt und so endlich in schwere Sünden gefallen, und haben kaum gewusst, wie sie dazu gekommen sind: so leise und sanft hat der Leichtsinn sie seinen Schlangenblumenweg geführt.

Dass diese kleinen Vögel einst Menschen gewesen, ist ganz natürlich, und man kann es auch daraus sehen, dass sie immer um die Häuser der Menschen fliegen, auch oft durch die offenen Fenster in die Zimmer kommen und sich da fangen lassen, auch dass sie im Walde, so wie sich nur Menschen da sehen lassen, sogleich um sie herumflattern und herumzwitschern. Sie haben auch die alte Unart im Vogelkleide noch nicht abgelegt und können das Mausen nicht lassen sondern sind noch immer Erzdiebe, und wo nur etwas Buntes und Neues und Schimmerndes ausgehängt wird, da fliegen und schnappen sie darnach, und werden daher keine Vögel leichter in Fallen und Schlingen gefangen als diese beiden, und müssen Grethchens und Kathrinchens gefederte Urenkel es noch entgelten, dass sie einst zuviel auf Kirmisse und Tänze gegangen und den bunten Rock gestohlen haben, worum der Schneider hangen musste. Die Menschen jammert es sehr, wann sie Rothkehlchen und Kohlmeischen in den Schlingen hangen sehen, und sie rufen wohl: ach! die armen niedlichen Vögelein! Denn sie sind wirklich sehr niedlich und hübsch, und waren einst auch niedliche und hübsche Dirnen, ehe sie von bösen Buben verführt wurden, und lebten als fromme einfältige Kinder und meinten und wussten nichts Arges.

Aus dieser Geschichte lernt man, dass es wohl wahr ist, was weise Leute sagen, dass mancher einen bunten Rock trägt, worin ihm nicht wohl ist, und dass manche bunte Röcke tragen, wozu sie nicht gut gekommen sind.

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Hintergründe

Interpretationen

Analyse

„Rotkehlchen und Kohlmeischen“ von Ernst Moritz Arndt ist ein Märchen, das als moralische Erzählung dient und die Gefahren von Leichtsinn und Verführung thematisiert. Die Geschichte dreht sich um zwei Schwestern, Grethchen und Kathrinchen, die zu Beginn in einem tugendhaften und bescheidenen Umfeld aufwachsen. Nach dem Tod ihrer Mutter geraten sie jedoch in den Einflusskreis von freizügigen Menschen, woraufhin sich ihr Lebensstil und ihre Werte schleichend verändern.

Der Wandel der Schwestern von moralisch integren jungen Frauen zu leichtsinnigen und letztlich unehrlichen Menschen wird in der Erzählung schrittweise dargestellt. Zunächst lassen sie sich nur zu kleinen Vergnügungen hinreißen, wie dem Besuch von Tanzveranstaltungen. Doch mit der Zeit öffnen sie die Türen zu größeren Untugenden, bis sie schließlich stehlen, um sich ihren neuen luxuriösen Lebensstil zu finanzieren.

Der Diebstahl eines bunten Rockes führt dazu, dass ein unschuldiger Schneider fälschlicherweise verurteilt und hingerichtet wird. Der Schrecken über ihre Verantwortung für seinen Tod ist der Wendepunkt, der die Schwestern in Verzweiflung stürzt. Als Strafe für ihre Taten werden sie in Vögel verwandelt – Grethchen wird zu einem Rotkehlchen und Kathrinchen zu einem Kohlmeischen. Diese Verwandlung dient als Symbol für ihre verlorene Unschuld und die anhaltende Bürde ihrer Sünden.

Das Märchen endet mit einer Reflexion über die Unachtsamkeit der Schwestern und die moralische Lektion, dass schöne äußere Erscheinungen und Vergnügungen nicht immer ohne Kosten sind. Es betont die Weisheit, hinter der Fassade der Anziehungskraft aufzupassen und sich der Konsequenzen unüberlegter Handlungen stets bewusst zu sein. Arndts Erzählung warnt vor den Gefahren des moralischen Verfalls durch scheinbar harmlose Entscheidungen und der Bedeutung von Integrität und Vorsicht im Umgang mit Verlockungen.

„Rotkehlchen und Kohlmeischen“ von Ernst Moritz Arndt ist ein Märchen, das als moralische Erzählung dient. Es erzählt die Geschichte von zwei Schwestern, Grethchen und Kathrinchen, die ursprünglich ein tugendhaftes und fleißiges Leben führten. Sie lebten nach dem Tod ihrer Mutter in bescheidenen Verhältnissen, hielten jedoch ihre Häuslichkeit in Ehren.

Im Verlauf der Geschichte werden sie jedoch von jungen Männern, den „Falken und Habichten“, in ein lockeres Leben voller Tanz und Vergnügungen verführt. Anfangs widerstehen die Schwestern den Verlockungen, aber nach und nach fallen sie der Versuchung zum Opfer. Ihre anfängliche Unschuld und der eiserne Wille zur Rechtschaffenheit weichen einem Leben der Leichtfertigkeit und letztendlich auch der Sünde. Im Laufe der Zeit beginnen sie sogar zu stehlen, was schließlich zur ungerechten Hinrichtung eines unschuldigen Schneiders führt.

Ihre Schuld und die sittliche Verfehlung sind derart groß, dass sie am Ende in Vögel verwandelt werden: Grethchen in ein Rotkehlchen und Kathrinchen in ein Kohlmeischen. Diese Verwandlung ist sowohl Strafe als auch Symbol ihrer neu gewonnenen, vogelhaften Freiheit und gleichzeitig der ewigen Buße für ihre Sünden. Innerhalb dieser neuen Existenz müssen sie allerdings weiterhin die Konsequenzen ihres früheren Lebens tragen. Sie sind verurteilte Diebe geblieben, die getrieben von der alten Unart, alles Schimmernde und Bunte anzuziehen, leicht in Fallen und Schlingen geraten.

Die Geschichte weist mehrere interpretative Ebenen auf. Eine zentrale Botschaft ist die Warnung vor den Gefahren der Verführung und den Konsequenzen leichtfertigen Verhaltens. Sie verdeutlicht, wie schnell Unschuld in Schuld und Freude in Elend umschlagen kann, wenn man sich von schlechten Einflüssen leiten lässt. Ein weiteres Thema ist das des äußeren Scheins, symbolisiert durch den „bunten Rock“, der im übertragenen Sinne für Geltungssucht und unehrlichen Erwerb steht. Die Erzählung warnt davor, sich von oberflächlichen Reizen blenden zu lassen und kritisiert gesellschaftliche Doppelmoral und falsches Urteil.

Insgesamt dient „Rotkehlchen und Kohlmeischen“ zugleich als Ermahnung zur Bewahrung sittlicher Reinheit und Bescheidenheit und als kritische Reflexion über den Einfluss gesellschaftlicher Normen auf das Individuum.

Ernst Moritz Arndts Märchen „Rotkehlchen und Kohlmeischen“ bietet eine reiche Grundlage für eine linguistische Analyse, die mehrere Ebenen der Sprache und des Stils berücksichtigt.

Erzählstruktur und Syntax

Die Erzählung folgt einer klassischen Märchenstruktur: Einleitung, Konflikt, Höhepunkt (Verwandlung in Vögel), und ein moralisches Ende. Die Syntax ist typisch für die Zeit von Arndt (18. /19. Jahrhundert), mit langen, verschachtelten Sätzen und einer formellen Sprache, die den Erzählstil von Märchen unterstreicht.

Wortwahl und Stil: Arndt verwendet eine gehobene, dichterische Sprache. Begriffe wie „Dirnen“, „fromme Witwe“ und „Galgenvögel“ sind Beispiele für eine altertümliche, stilisierte Ausdrucksweise. Der Text ist durchdrungen von moralischer und ethischer Sprache, die die zentralen Themen von Ehrbarkeit, Leichtsinn und Sünde verdeutlichen.

Metapher und Symbolik: Die Verwandlung der Mädchen in Vögel ist eine zentrale Metapher, die sowohl Strafe als auch eine Art von Freiheit symbolisieren könnte. Farben spielen eine wichtige Rolle, z. B. das rote Tuch von Grethchen und das gelbe von Kathrinchen, die nach ihrer Verwandlung zu den charakteristischen Farben der Vögel werden.

Themen und Motive: Das Hauptthema ist die Versuchung und der Fall, eine populäre Botschaft in vielen Märchen, die oft moralische und pädagogische Ziele verfolgen. Die scheinbare Harmonie zwischen menschlicher und tierischer Welt ist ein Motiv, das die Leser daran erinnert, dass moralisches Handeln universelle Bedeutung hat.

Moralische und Soziale Implikationen: Das Märchen warnt vor den Gefahren der Verführung und der Vernachlässigung moralischer Prinzipien. Es gibt einen deutlichen sozialen Kommentar zur Rolle der Frau, zur Versuchung durch Männer und zur Notwendigkeit von Ehrbarkeit.

Psychologische Dimension: Die Entwicklung der Protagonistinnen vom verantwortungsvollen Leben zu einem verführten und leichtsinnigen Lebensstil spiegelt psychologische Prozesse wider, die in Märchen oft vereinfacht und überhöht dargestellt werden.

Insgesamt spiegelt „Rotkehlchen und Kohlmeischen“ sowohl die zeitgenössische Sprache als auch die moralischen und gesellschaftlichen Vorstellungen der Zeit wider. Die sprachliche Gestaltung verstärkt die moralische Botschaft und die symbolische Tiefe der Erzählung.


Informationen für wissenschaftliche Analysen

Kennzahl
Wert
Lesbarkeitsindex nach Amstad60.7
Lesbarkeitsindex nach Björnsson49.4
Flesch-Reading-Ease Index46.5
Flesch–Kincaid Grade-Level12
Gunning Fog Index13.5
Coleman–Liau Index12
SMOG Index12
Automated Readability Index12
Zeichen-Anzahl7.439
Anzahl der Buchstaben6.054
Anzahl der Sätze43
Wortanzahl1.211
Durchschnittliche Wörter pro Satz28,16
Wörter mit mehr als 6 Buchstaben257
Prozentualer Anteil von langen Wörtern21.2%
Silben gesamt1.886
Durchschnittliche Silben pro Wort1,56
Wörter mit drei Silben118
Prozentualer Anteil von Wörtern mit drei Silben9.7%
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