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Das stumme Buch
Grimm Märchen

Das stumme Buch - Märchen von Hans Christian Andersen

Vorlesezeit für Kinder: 6 min

An der Landstraße im Walde lag ein einsamer Bauernhof. Man musste mitten durch den Hofraum hindurch. Da schien die Sonne, alle Fenster standen offen. Leben und Emsigkeit herrschte innen. Aber im Hofe, in einer Laube aus blühendem Flieder, stand ein offener Sarg. Der Tote war hier hinausgesetzt worden, denn am Vormittag sollte er begraben werden.

Niemand stand und blickte voll Trauer auf den Toten, niemand weinte um ihn. Sein Gesicht war von einem weißen Tuche bedeckt und unter seinem Kopfe lag ein großes dickes Buch, dessen Blätter jedes ein ganzer Bogen aus grauem Papier waren. Und zwischen jedem lagen, verborgen und vergessen, verwelkte Blumen, ein ganzes Herbarium, das an verschiedenen Orten zusammengesucht war. Das sollte mit ins Grab, das hatte er selbst verlangt. An jede Blume knüpfte sich ein Kapitel seines Lebens.

„Wer ist der Tote?“ fragten wir, und die Antwort war: „Der alte Student von Upsala! Er soll einst ein tüchtiger Mann gewesen sein, gelehrte Sprachen verstanden, Lieder singen und schreiben gekonnt haben, sagt man. Aber dann ist ihm etwas in die Quere gekommen, und er ersäufte alle seine Gedanken und sich selbst mit im Branntwein. Und als seine Gesundheit zerstört war, kam er hier auf das Land hinaus, wo für ihn ein Kostgeld entrichtet wurde.

Er war fromm wie ein Kind, wenn nicht der schwarze Sinn über ihn kam, denn dann gewann er seine Kräfte wieder und lief im Walde umher wie ein gejagtes Tier. Aber wenn wir ihn wieder zu fassen bekamen und ihn dazu brachten, in dies Buch mit den trocknen Pflanzen hineinzuschauen, konnte er den ganzen Tag sitzen und eine Pflanze nach der anderen anschauen. Und oftmals liefen ihm die Tränen über die Wangen dabei nieder.

Gott mag wissen, an was er dabei dachte! Aber das Buch bat er mit in seinen Sarg zu legen, und nun liegt es dort, und um eine kurze Stunde soll der Deckel zugeschlagen werden und er wird sanft im Grabe ruhen.“ Das Leichentuch wurde gelüftet. Es lag Frieden über dem Antlitz des Toten. Ein Sonnenstrahl fiel darauf, eine Schwalbe schoss in ihrem pfeilschnellen Fluge in die Laube und wendete sich im Fluge zwitschernd über des Toten Haupt.

Wie wunderlich ist es doch – wir kennen gewiss alle das Gefühl – alte Briefe aus unserer Jugendzeit hervorzunehmen und sie wieder zu lesen. Da taucht gleichsam ein ganzes Leben vor uns auf, mit all seinen Hoffnungen, all seinen Sorgen. Wie viele von den Menschen, mit denen wir in jener Zeit so herzlich vertraut zusammen lebten, sind für uns gestorben, obwohl sie noch leben. Aber wir haben lange Zeit nicht mehr an sie gedacht, von denen wir einstmals glaubten, dass wir stets mit ihnen verbunden bleiben und Freude und Leid mit ihnen teilen würden.

Das welke Eichenblatt im Buche hier erinnert an den Freund, an den Freund aus der Schulzeit, den Freund für das ganze Leben. Er heftete dieses Blatt an die Studentenmütze im grünen Walde, als der Freundschaftspakt fürs ganze Leben geschlossen wurde. – Wo lebt er nun? – Das Blatt wurde bewahrt, die Freundschaft vergessen! – Hier ist eine fremdartige Treibhauspflanze, zu fein für die Gärten des Nordens – es ist, als sei noch ein Duft über diesen Blättern.

Sie gab sie ihm, das Fräulein aus dem adligen Garten. Hier ist die Wasserrose, die er selbst gepflückt und mit salzigen Tränen begossen hat, die Wasserrose aus den süßen Gewässern. Und hier ist eine Nessel. Was sagen ihre Blätter? Woran dachte er, als er sie pflückte, als er sie aufbewahrte? Hier ist das Maiglöckchen aus der Waldeinsamkeit; hier ist Jelänger-Jelieber aus dem Blumentopf in der Wirtsstube, und hier sind nackte scharfe Grashalme.

Der blühende Flieder breitet seine frischen, duftenden Dolden über des Toten Haupt, die Schwalbe fliegt wieder vorüber: „Quivit! Quivit!“ – Nun kommen die Männer mit Nägeln und mit dem Hammer, der Deckel wird über den Toten gelegt, der sein Haupt auf dem stummen Buche ausruht. Verwahrt – vergessen.

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Hintergründe zum Märchen „Das stumme Buch“

„Das stumme Buch“ ist eines der weniger bekannten Märchen von Hans Christian Andersen, dem berühmten dänischen Schriftsteller. Andersen veröffentlichte seine Geschichten in verschiedenen Sammlungen, von denen einige auch Märchen enthalten, die stärker von persönlichen Erfahrungen und Emotionen geprägt sind, wie es bei „Das stumme Buch“ der Fall ist.

Hans Christian Andersen war ein meisterhafter Geschichtenerzähler und hatte ein Talent dafür, tiefgründige und bewegende Geschichten zu erschaffen, die oft eine Moral oder Botschaft vermitteln. Das Märchen „Das stumme Buch“ handelt von einem alten Studenten, dessen Leben von Tragik und Verlust geprägt ist, und von seinem Buch, das seine Erinnerungen in Form von getrockneten Pflanzen und Blumen enthält. Die Geschichte zeigt, wie wichtig es ist, sich an die Vergangenheit zu erinnern und die Schönheit des Lebens und der Natur zu schätzen, auch wenn alles vergänglich ist.

Die Geschichte des alten Studenten ist eine Erinnerung an die menschliche Zerbrechlichkeit und daran, wie leicht Erfolg und Talent durch persönliche Schwierigkeiten und Tragödien verloren gehen. Die Erwähnung von Branntwein weist auf das Problem des Alkoholismus hin, das in vielen Gesellschaften präsent ist und das Leben zahlreicher Menschen zerstört. Der alte Student ist ein Beispiel dafür, wie jemand, der einmal erfolgreich und talentiert war, letztendlich durch seine eigenen Dämonen besiegt wird.

Die Symbolik der Pflanzen und Blumen im Buch unterstreicht die Bedeutung von Erinnerungen und persönlichen Erfahrungen im Leben eines Menschen. Jede Pflanze oder Blume repräsentiert eine bestimmte Erinnerung oder Beziehung, die der alte Student im Laufe seines Lebens hatte. Diese Erinnerungen sind wie die getrockneten Pflanzen und Blumen im Buch – verwelkt, aber dennoch bewahrt und geschätzt.

Insgesamt ist „Das stumme Buch“ ein melancholisches, aber eindrucksvolles Märchen, das die Zerbrechlichkeit des menschlichen Lebens und die Vergänglichkeit von Erinnerungen aufzeigt. Es erinnert uns daran, die Schönheit des Lebens und der Natur zu schätzen und die Erinnerungen und Erfahrungen, die uns geprägt haben, nicht zu vergessen.

Interpretationen zum Märchen „Das stumme Buch“

„Das stumme Buch“ von Hans Christian Andersen kann auf verschiedene Weise interpretiert werden. Hier sind einige mögliche Interpretationen:

Vergänglichkeit des Lebens: Das Märchen zeigt, wie schnell das Leben vergeht und wie Erinnerungen im Laufe der Zeit verblassen können. Der alte Student hatte viele Erfahrungen und Beziehungen, aber am Ende sind sie nur noch getrocknete Pflanzen und Blumen in einem Buch. Diese Interpretation lehrt uns, die Gegenwart zu schätzen und die Erinnerungen an die Vergangenheit zu bewahren, bevor sie verloren gehen.

Freundschaften und Beziehungen: Der alte Student hatte im Laufe seines Lebens viele Freunde und Geliebte, aber diese Beziehungen sind im Laufe der Zeit zerbrochen oder verblasst. Die Geschichte zeigt, wie wichtig es ist, Freundschaften und Beziehungen zu pflegen, um ein erfülltes und glückliches Leben zu führen.

Zerbrechlichkeit des menschlichen Lebens: Die Geschichte zeigt, wie leicht Erfolg und Talent durch persönliche Schwierigkeiten und Tragödien verloren gehen können. Der alte Student war einst ein gelehrter Mann, aber seine Probleme mit Alkoholismus und persönlichen Dämonen haben sein Leben zerstört. Diese Interpretation erinnert uns daran, dass niemand unfehlbar ist und dass jeder Mensch anfällig für Schwierigkeiten und Verluste ist.

Heilung durch die Natur: Das Märchen zeigt, wie der alte Student Trost und Frieden in der Natur und in den getrockneten Pflanzen und Blumen seines Buches findet. Diese Interpretation zeigt die heilende Kraft der Natur und wie sie dazu beitragen kann, den Schmerz und die Trauer zu lindern.

Suche nach Bedeutung im Leben: Der alte Student hat sein Leben lang nach Bedeutung und Erfüllung gesucht, aber am Ende sind seine Erfahrungen und Erinnerungen nur noch getrocknete Pflanzen und Blumen in einem Buch. Diese Interpretation zeigt die Schwierigkeit, im Leben eine tiefere Bedeutung zu finden und die Vergänglichkeit der menschlichen Erfahrungen zu akzeptieren.

Insgesamt bietet „Das stumme Buch“ von Hans Christian Andersen verschiedene Interpretationsmöglichkeiten, die sowohl individuelle als auch universelle Themen ansprechen. Die Geschichte zeigt die Bedeutung von Erinnerungen, Beziehungen und der Suche nach Bedeutung im Leben, während sie auch die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens und die Zerbrechlichkeit der menschlichen Erfahrungen betont.

Zusammenfassung der Handlung

„Das stumme Buch“ von Hans Christian Andersen erzählt die Geschichte eines alten Studenten, der auf einem ländlichen Bauernhof aufgebahrt liegt, bereit für seine Beerdigung. Der alte Student hatte einst ein vielversprechendes Leben, beherrschte verschiedene Sprachen und konnte Lieder singen und schreiben. Doch nach einer persönlichen Tragödie verfiel er dem Alkohol, was seine Gesundheit ruinierte und ihn schließlich auf den Bauernhof brachte, wo er Kostgeld erhielt.

Der alte Student besaß ein Buch mit getrockneten Pflanzen und Blumen, in dem er Erinnerungen aus seinem Leben bewahrte. Er verbrachte Stunden damit, das Buch durchzublättern und die getrockneten Pflanzen zu betrachten, wobei ihm oft Tränen über die Wangen liefen. Er bat darum, das Buch bei seiner Beerdigung mit in seinen Sarg zu legen.

Die Pflanzen und Blumen im Buch symbolisieren verschiedene Menschen und Ereignisse aus der Vergangenheit des alten Studenten. Sie erinnern an Freundschaften, die im Laufe der Zeit verblassen, sowie an Liebe und Verlust. Die Geschichte zeigt die Vergänglichkeit des Lebens, die Schönheit der Natur und die Bedeutung von Erinnerungen.

Während der alte Student aufgebahrt liegt, blicken die Menschen auf sein friedliches Gesicht. Eine Schwalbe fliegt über seinen Kopf, und blühender Flieder bedeckt seinen Körper. Schließlich legen Männer den Sargdeckel auf und der alte Student wird begraben, zusammen mit seinem stummen Buch, das die Erinnerungen an sein Leben enthält.


Informationen für wissenschaftliche Analysen

Kennzahl
Wert
ÜbersetzungenDE, EN, DA, ES
Lesbarkeitsindex nach Amstad73.4
Lesbarkeitsindex nach Björnsson35.5
Flesch-Reading-Ease Index59.1
Flesch–Kincaid Grade-Level8.7
Gunning Fog Index8.7
Coleman–Liau Index12
SMOG Index10.5
Automated Readability Index9.1
Zeichen-Anzahl3.933
Anzahl der Buchstaben3.142
Anzahl der Sätze43
Wortanzahl642
Durchschnittliche Wörter pro Satz14,93
Wörter mit mehr als 6 Buchstaben132
Prozentualer Anteil von langen Wörtern20.6%
Silben gesamt1.006
Durchschnittliche Silben pro Wort1,57
Wörter mit drei Silben69
Prozentualer Anteil von Wörtern mit drei Silben10.7%
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