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Der beherzte Flötenspieler
Grimm Märchen

Der beherzte Flötenspieler - Märchen von Ludwig Bechstein

Vorlesezeit für Kinder: 9 min

Es war einmal ein lustiger Musikant, der die Flöte meisterhaft spielte; er reiste daher in der Welt herum, spielte auf seiner Flöte in Dörfern und in Städten und erwarb sich dadurch seinen Unterhalt. So kam er auch eines Abends auf einen Pächtershof und übernachtete da, weil er das nächste Dorf vor einbrechender Nacht nicht erreichen konnte. Er wurde von dem Pächter freundlich aufgenommen, musste mit ihm speisen und nach geendigter Mahlzeit einige Stücklein auf seiner Flöte vorspielen. Als dieses der Musikant getan hatte, schaute er zum Fenster hinaus und gewahrte in kurzer Entfernung bei dem Scheine des Mondes eine alte Burg, die teilweise in Trümmern zu liegen schien. »Was ist das für ein altes Schloss?« fragte er den Pächter. »Und wem hat es gehört?«

Der Pächter erzählte, dass vor vielen, vielen Jahren ein Graf da gewohnt hätte, der sehr reich, aber auch sehr geizig gewesen wäre. Er hätte seine Untertanen sehr geplagt, keinem armen Menschen ein Almosen gegeben und sei endlich ohne Erben (weil er aus Geiz sich nicht einmal verheiratet habe) gestorben. Darauf hätten seine nächsten Anverwandten die Erbschaft in Besitz nehmen wollen, hätten aber nicht das geringste Geld gefunden. Man behaupte daher, er müsse den Schatz vergraben haben, und dieser möge heute noch in dem alten Schloss verborgen liegen. Schon viele Menschen wären des Schatzes wegen in die alte Burg gegangen, aber keiner wäre wieder zum Vorschein gekommen. Daher habe die Obrigkeit den Eintritt in dies alte Schloss untersagt und alle Menschen im ganzen Lande ernstlich davor gewarnt. Der Musikant hatte aufmerksam zugehört, und als der Pächter seinen Bericht geendigt hatte, äußerte er, dass er großes Verlangen habe, auch einmal hinein zu gehen, denn er sei beherzt und kenne keine Furcht. Der Pächter bat ihn aufs dringendste und endlich schier fußfällig, doch ja sein junges Leben zu schonen und nicht in das Schloss zu gehen. Aber es half kein Bitten und Flehen, der Musikant war unerschütterlich.

Zwei Knechte des Pächters mussten ein Paar Laternen anzünden und den beherzten Musikanten bis an das alte schaurige Schloss begleiten. Dann schickte er sie mit einer Laterne wieder zurück, er aber nahm die zweite in die Hand und stieg mutig eine hohe Treppe hinan. Als er diese erstiegen hatte, kam er in einen großen Saal, um den ringsherum Türen waren. Er öffnete die erste und ging hinein, setzte sich an einen darin befindlichen altväterischen Tisch, stellte sein Licht darauf und spielte die Flöte. Der Pächter aber konnte die ganze Nacht vor lauter Sorgen nicht schlafen und sah öfters zum Fenster hinaus.

Er freute sich jedes Mal unaussprechlich, wenn er drüben den Gast noch musizieren hörte. Doch als seine Wanduhr elf schlug und das Flötenspiel verstummte, erschrak er heftig und glaubte nun nicht anders, als der Geist oder der Teufel, oder wer sonst in diesem Schlosse hauste, habe dem schönen Burschen nun ganz gewiss den Hals umgedreht. Doch der Musikant hatte ohne Furcht sein Flötenspiel abgewartet und gepflegt; als aber sich endlich Hunger bei ihm regte, weil er nicht viel bei dem Pächter gegessen hatte, so ging er in dem Zimmer auf und nieder und sah sich um. Da erblickte er einen Topf voll ungekochter Linsen stehen, auf einem andern Tische standen ein Gefäß voll Wasser, eines voll Salz und eine Flasche Wein. Er goss geschwind Wasser über die Linsen, tat Salz daran, machte Feuer in dem Ofen an, weil auch Holz dabei lag, und kochte sich eine Linsensuppe. Während die Linsen kochten, trank er die Flasche Wein leer, und dann spielte er wieder Flöte. Als die Linsen gekocht waren, rückte er sie vom Feuer, schüttete sie in die auf dem Tische schon bereitstehende Schüssel und aß frisch darauf los. Jetzt sah er nach seiner Uhr, und es war um die zwölfte Stunde.

Da ging plötzlich die Türe auf, zwei lange schwarze Männer traten herein und trugen eine Totenbahre, auf der ein Sarg stand. Diesen stellten sie, ohne ein Wort zu sagen, vor den Musikanten, der sich keineswegs im Essen stören ließ, und gingen ebenso lautlos, wie sie gekommen waren, wieder zur Türe hinaus. Als sie sich nun entfernt hatten, stand der Musikant hastig auf und öffnete den Sarg. Ein altes Männchen, klein und verhutzelt, mit grauen Haaren und grauem Barte lag darinnen, aber der Bursche fürchtete sich nicht, nahm es heraus, setzte es an den Ofen, und kaum schien es erwärmt zu sein, als sich schon Leben in ihm regte. Er gab ihm hierauf Linsen zu essen und war ganz mit dem Männchen beschäftigt, ja fütterte es wie eine Mutter ihr Kind. Da wurde das Männchen ganz lebhaft und sprach zu ihm: »Folge mir!« Das Männchen ging voraus, der Bursche aber nahm seine Laterne und folgte ihm sonder Zagen. Es führte ihn nun eine hohe verfallene Treppe hinab, und so gelangten endlich beide in ein tiefes schauerliches Gewölbe.

Hier lag ein großer Haufen Geld. Da gebot das Männchen dem Burschen: »Diesen Haufen teile mir in zwei ganz gleiche Teile, aber dass nichts übrig bleibt, sonst bringe ich dich ums Leben!« Der Bursche lächelte bloß, fing sogleich an zu zählen auf zwei große Tische herüber und hinüber und brachte so das Geld in kurzer Zeit in zwei gleiche Teile, doch zuletzt – war noch ein Kreuzer übrig. Der Musikant besann sich kurz, nahm sein Taschenmesser heraus, setzte es auf den Kreuzer mit der Schneide und schlug ihn mit einem dabei liegenden Hammer entzwei. Als er nun die eine Hälfte auf diesen, die andere auf jenen Haufen warf, wurde das Männchen ganz heiter und sprach: »Du himmlischer Mann, du hast mich erlöst! Schon hundert Jahre muss ich meinen Schatz bewachen, den ich aus Geiz zusammengescharrt habe, bis es einem gelingen würde, das Geld in zwei gleiche Teile zu teilen. Noch nie ist es einem gelungen, und ich habe sie alle erwürgen müssen. Der eine Haufen Geld ist nun dein, den andern aber teile unter die Armen. Göttlicher Mensch, du hast mich erlöst!« Darauf verschwand das Männchen. Der Bursche aber stieg die Treppe hinan und spielte in seinem vorigen Zimmer lustige Stücklein auf seiner Flöte.

Da freute sich der Pächter, dass er ihn wieder spielen hörte, und mit dem frühesten Morgen ging er auf das Schloss (denn am Tage durfte jedermann hinein) und empfing den Burschen voller Freude. Dieser erzählte ihm die Geschichte, dann ging er hinunter zu seinem Schatz, tat wie ihm das Männchen befohlen hatte, und verteilte die eine Hälfte unter die Armen. Das alte Schloss aber ließ er niederreißen, und bald stand an der vorigen Stelle ein neues, wo nun der Musikant als reicher Mann wohnte.

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Hintergründe

Interpretationen

Analyse

„Der beherzte Flötenspieler“ von Ludwig Bechstein ist ein Märchen, das die klassische Struktur eines Volksmärchens aufweist, indem es Themen wie Mut, Tugendhaftigkeit und Belohnung behandelt. Es erzählt die Geschichte eines furchtlosen Musikanten, der durch seine unerschrockene Natur und musikalische Fähigkeiten eine verwunschene Situation auflöst.

Der Musikant ist ein wandernder Flötenspieler, der sich seinen Lebensunterhalt durch seine Musik verdient. Als er auf einem Pächterhof übernachtet, erfährt er von einem alten Schloss, in dem ein Schatz verborgen sein soll. Trotz der Warnungen des Pächters, dass niemand, der das Schloss betreten hat, je zurückgekehrt sei, zeigt der Musikant keine Furcht und beschließt, das Schloss zu erkunden.

Im Schloss erlebt er Übernatürliches, als zwei schwarze Männer eine Totenbahre mit einem Sarg hereintragen. Anstatt in Panik zu geraten, handelt der Musikant pragmatisch, indem er ein verhutzeltes Männchen im Sarg zum Leben erweckt und ihm zu essen gibt. Dadurch zeigt sich, dass seine Furchtlosigkeit und sein gutes Herz den Bann brechen, der über das Schloss und den Schatz liegt.

Das Männchen offenbart ihm, dass es ein verfluchter Graf ist, der den Schatz bewacht hat, und erlöst wird, weil der Musikant den Schatz gerecht in zwei Teile teilt. Der Musikant wird für seine Taten belohnt; er erhält die Hälfte des Schatzes, während die andere den Armen zugutekommt, was seine Großherzigkeit unterstreicht. Am Ende lebt er als reicher Mann auf dem neu errichteten Schloss.

Dieses Märchen illustriert die moralische Lektion, dass Mut und ein gutes Herz die Macht haben, selbst die größten Hindernisse zu überwinden und Gerechtigkeit zu bringen. Bechstein nutzt klassische Märchenelemente wie Geheimnisse, magische Ereignisse und die letztendliche Belohnung des tugendhaften Helden, um das Publikum zu unterhalten und zu erziehen.

„Der beherzte Flötenspieler“ ist eine faszinierende Erzählung von Ludwig Bechstein, die sich auf den klassischen Märchenthemen von Mut, Belohnung und Erlösung basiert. Mehrere Interpretationen dieser Geschichte sind möglich, und einige davon werden im Folgenden betrachtet:

Mut und Furchtlosigkeit: Der Flötenspieler wird als mutige und furchtlose Figur dargestellt. Trotz der Warnungen des Pächters und der gruseligen Geschichten über die alte Burg entscheidet er sich, das Schloss zu betreten. Sein Mut wird schließlich belohnt, was unterstreicht, dass diejenigen, die ihre Ängste überwinden, große Belohnungen erwarten können.

Karma und Gerechtigkeit: Der Graf, der sein Vermögen aus Geiz anhäufte und seine Mitmenschen schlecht behandelte, bezahlt letztendlich den Preis für seine Habgier im Jenseits. Der Flötenspieler hingegen, der das Geld fair teilt und seinen Reichtum mit den Armen teilt, wird dafür belohnt. Das Märchen vermittelt eine Botschaft der Gerechtigkeit und des karmischen Ausgleichs.

Erlösung durch Anteilnahme: Das kleine Männchen im Sarg symbolisiert vielleicht den gequälten Geist des geizigen Grafen. Es wird durch die Fähigkeit des Flötenspielers erlöst, das Erbe gerecht zu teilen. Diese Handlung der Barmherzigkeit und des Mitgefühls hebt die transformative Kraft des Teilens und der Selbstlosigkeit hervor.

Die Rolle der Musik: Musik spielt in der Geschichte eine entscheidende Rolle. Der Flötenspieler integriert seine Liebe zur Musik in alle Aspekte seines Lebens. Der Klang seiner Flöte bringt Freude und beeinflusst seine Umgebung positiv, selbst in der Dunkelheit und Einsamkeit des alten Schlosses. Dies könnte darauf hindeuten, dass Kunst und Kreativität erhellende und heilende Kräfte besitzen.

Reichtum und Verantwortung: Die Geschichte endet damit, dass der Flötenspieler, nun ein reicher Mann, verantwortlich mit seinem neuen Reichtum umgeht, indem er die Hälfte des Schatzes mit den Armen teilt und das alte Schloss durch ein neues ersetzt. Dies deutet darauf hin, dass wahrer Reichtum nicht nur materieller Natur ist, sondern auch mit der Fähigkeit verbunden ist, Verantwortung zu übernehmen und Gemeinschaftsgüter zu fördern.

Jede dieser Interpretationen eröffnet unterschiedliche Perspektiven auf die Bedeutung des Märchens und bietet tiefere Einsichten in menschliche Werte und Handlungen.

„Der beherzte Flötenspieler“ von Ludwig Bechstein ist ein klassisches Märchen, das zahlreiche typische Elemente des Genres enthält. Eine linguistische Analyse dieses Märchens kann verschiedene Aspekte untersuchen, darunter Sprachstil, Struktur, Themen sowie stilistische Mittel.

Erzählstruktur und Stil: Das Märchen folgt der traditionellen Erzählstruktur mit Einleitung, Hauptteil und Schluss. Es beginnt mit der Vorstellung des Helden, des Musikanten, und endet mit seiner Belohnung. Der Sprachstil ist einfach und volksnah, kennzeichnend für Märchen, um Zugänglichkeit für ein breites Publikum zu gewährleisten. Der zeitliche Rahmen „Es war einmal“ schafft eine unbestimmte, universelle Zeit, die typisch für Märchen ist.

Charakterisierung: Der Musikant wird als „lustiger“ und „beherzter“ Reisender in die Handlung eingeführt, was seine furchtlose Natur und positive Einstellung hervorhebt. Der Graf wird durch die Erzählung des Pächters als geizig und herzlos charakterisiert, was seine verdiente Strafe in der Geisterwelt erklärt. Das kleine Männchen, das letztendlich erlöst wird, dient als Bindeglied zwischen der Welt der Lebenden und der übernatürlichen.

Themen und Motive: Das zentrale Thema ist der Mut und die Belohnung für moralische Integrität, wie es in den meisten Märchen der Fall ist. Der Topos des verborgenen Schatzes ist klassisch im Märchen; er symbolisiert oft nicht nur materiellen Reichtum, sondern auch die Belohnung für Mut und Aufrichtigkeit. Übernatürliche Elemente wie die Geisterwelt und die Transformation des Männchens sind typisch für Märchen und verstärken das Mystische und Lehrreiche der Geschichte.

Symbolik: Die Flöte als Instrument steht für Kunstfertigkeit und Lebensfreude und symbolisiert die positive, harmonisierende Kraft des Helden. Die Zahlen wie „zwei“ im Kontext der Teilung des Schatzes und „hundert Jahre“ als Zeitspanne der Verwünschung haben symbolische Bedeutungen: Teilung kann für Fairness stehen und die lange Dauer für das Leid durch Gier.

Sprachliche Mittel: Wiederholungen und parallele Strukturen gewährleisten die Einprägsamkeit des Textes. Der Gebrauch des Imperfekts verleiht der Geschichte eine Erzähltradition und ermöglicht einen fließenden, narrativen Stil. Direkte Rede wird verwendet, um Interaktionen lebendig zu gestalten und den Leser*innen die Charaktere näher zu bringen.

Insgesamt ist „Der beherzte Flötenspieler“ ein Beispiel dafür, wie Märchen sowohl Unterhaltung als auch didaktische Botschaften übermitteln können. Bechstein nutzt einfache, aber effektive sprachliche Mittel, um Themen wie Mut, Großzügigkeit und Gerechtigkeit zu vermitteln.


Informationen für wissenschaftliche Analysen

Kennzahl
Wert
Lesbarkeitsindex nach Amstad76
Lesbarkeitsindex nach Björnsson36.2
Flesch-Reading-Ease Index63.4
Flesch–Kincaid Grade-Level8.4
Gunning Fog Index9.5
Coleman–Liau Index12
SMOG Index10.5
Automated Readability Index9.5
Zeichen-Anzahl1.257
Anzahl der Buchstaben1.018
Anzahl der Sätze13
Wortanzahl209
Durchschnittliche Wörter pro Satz16,08
Wörter mit mehr als 6 Buchstaben42
Prozentualer Anteil von langen Wörtern20.1%
Silben gesamt314
Durchschnittliche Silben pro Wort1,50
Wörter mit drei Silben21
Prozentualer Anteil von Wörtern mit drei Silben10%
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