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Ein Krebs kroch aus seinem Bache hervor auf das grüne Gras einer Wiese, allda er sich gütlich tat. Da kam ein Fuchs daher, sah den Krebs langsam kriechen und sprach spöttisch zu ihm: »Herr Krebs, wie geht Ihr doch so gemächlich? Wer nahm Euch Eure Schnelligkeit? Oder wann gedenkt Ihr über die Wiese zu kommen? Aus Euerm Gange merke ich wohl, dass Ihr besser hinterrücks als vorwärts gehen könnt!«
Der Krebs war nicht dumm, er antwortete alsbald dem Fuchs: »Herr Fuchs, Ihr kennt meine Natur nicht. Ich bin edel und wert, ich bin schneller und leichter und laufe rascher als Ihr und Eure Art, und wer mir das nicht gönnt, den möge der Teufel riffeln. Herr Fuchs, wollt Ihr mit mir eine Wette laufen? Ich setze gleich ein Pfund zum Pfande!«
»Nichts wäre mir lieber«, sprach der Fuchs. »Wollt Ihr von Bern nach Basel laufen oder von Bremen nach Brabant?«
»O nein«, sprach der Krebs, »das Ziel wäre zu fern! Ich dächte, wir liefen eine halbe oder eine ganze Meile miteinander, das wird uns beiden nicht zu viel sein!«
»Eine Meile, eine Meile!« schrie der Fuchs eifrig.
Und der Krebs begann wieder: »Ich gebe Euch auch eine hübsche Vorgabe, ohne dass Ihr die annehmt, mag ich gar nicht laufen.«
»Und wie soll die Vorgabe sein?« fragte der Fuchs.
Der Krebs antwortete: »Gerade eine Fuchslänge soll sie beschaffen sein. Ihr tretet vor mich, und ich trete hinter Euch. dass Eure Hinterfüße an meinen Kopf stoßen, und wenn ich sage: Nun wohl hin! – so heben wir an zu laufen.«
Dem Fuchs gefiel die Rede wohl; er sagte: »Ich gehorche Euch in allen Stücken.«
Und da kehrte er dem Krebs sein Hinterteil zu, mit dem großen und starken haarigen Schwanze, in den schlug der Krebs seine Scheren, ohne dass der Fuchs es merkte, und rief: »Nun wohl hin!«
Und da lief der Fuchs, wie er in seinem Leben noch nicht gelaufen war, dass ihm die Füße schmerzten, und als das Ziel erreicht war, so drehte er sich geschwind herum und schrie: »Wo ist nun der dumme Krebs? Wo seid Ihr? Ihr säumt gar zu lange!«
Der Krebs aber, der dem Ziele jetzt näher stand als der Fuchs, rief hinter ihm: »Herr Fuchs! Was will diese Rede sagen? Warum seid Ihr so langsam? Ich stehe schon eine hübsche Weile hier und warte auf Euch! Warum kommt Ihr so saumselig?«
Der Fuchs erschrak ordentlich und sprach: »Euch muss der Teufel aus der Hölle hergebracht haben!« zahlte seine Wette, zog den Schwanz ein und strich von dannen.

Hintergründe
Interpretationen
Analyse
„Der Fuchs und der Krebs“ ist ein Märchen von Ludwig Bechstein, das eine moralische Lehre über Intelligenz, List und Selbstüberschätzung vermittelt. In der Geschichte verspottet ein Fuchs einen Krebs wegen dessen langsamer Fortbewegung und schlägt eine Wette vor, um seine eigene Überlegenheit zu beweisen. Der Krebs jedoch ist schlau und nutzt seine Intelligenz, um den Fuchs zu überlisten.
Der Krebs schlägt vor, dass der Fuchs eine Fuchslänge Vorsprung bekommt, woraufhin der Krebs sich mit seinen Scheren heimlich am Schwanz des Fuchses festhält. Als der Fuchs losläuft, glaubt er, er würde die Wette gewinnen, während der Krebs einfach mitgezogen wird. Am Ziel angekommen, ist der Fuchs schockiert zu hören, dass der Krebs bereits dort auf ihn wartet.
Selbstüberschätzung kann teuer zu stehen kommen, und Intelligenz und List können physische Stärke oder Schnelligkeit übertreffen. Der Fuchs repräsentiert hierbei jene, die sich aufgrund äußerer Fähigkeiten oder Merkmale überlegen fühlen, während der Krebs zeigt, dass mit Einfallsreichtum und Schläue auch die Schwächeren gewinnen können. Insgesamt betont das Märchen, dass es wichtig ist, die eigenen Stärken klug einzusetzen und die Gegner nie zu unterschätzen.
„Der Fuchs und der Krebs“ aus Ludwig Bechsteins Märchensammlung ist eine spannende Geschichte, die lehrt, dass Intelligenz und List oft wertvoller sind als bloße Geschwindigkeit oder körperliche Kraft. Es gibt mehrere Möglichkeiten, diese Erzählung zu interpretieren:
Der Wert von Klugheit und Strategie: Der Krebs zeigt, dass man durch kluge Planung und strategisches Denken selbst die vermeintlich Stärkeren oder Schnelleren überlisten kann. Der Fuchs, der sich auf seine überlegene Geschwindigkeit verlässt, unterschätzt den Krebs und verliert die Wette.
Überheblichkeit und Unterschätzung: Der Fuchs steht für Überheblichkeit und die Neigung, andere aufgrund äußerer Erscheinungen oder augenscheinlicher Fähigkeiten zu unterschätzen. Seine Arroganz wird ihm am Ende zum Verhängnis, weil er nicht erkennt, dass der Krebs eine List plant.
Teamarbeit und Zusammenarbeit: Obwohl der Krebs allein agiert, symbolisiert seine Aktion die Idee, dass man mit Hilfe und Unterstützung von anderen (in diesem Fall haftet er sich an den Fuchs) mehr erreichen kann. Es ist eine Anspielung darauf, dass Zusammenarbeit, auch wenn sie ungewollt ist, Vorteile bringen kann.
Moralische Lehren und Konsequenzen: Die Geschichte zeigt, dass man die Konsequenzen seines arroganten Verhaltens und seiner voreiligen Annahmen tragen muss. Der Fuchs verliert die Wette und wird gewarnt, in Zukunft vorsichtiger und weniger spöttisch zu sein.
Verschiedene Lebensperspektiven: Der Krebs repräsentiert eine andere Lebensweise – Geduld und Weisheit. Der Fuchs hingegen verkörpert die Schnelllebigkeit und den oberflächlichen Erfolgsglauben. Die Erzählung erinnert daran, dass unterschiedliche Ansätze im Leben vielfältige Ergebnisse hervorbringen können.
Insgesamt ermutigt die Geschichte dazu, die eigenen Fähigkeiten klug einzusetzen und nicht von äußeren Erscheinungen oder Vorurteilen beeinflusst zu werden. Sie lehrt, dass selbst die anscheinend Unterlegenen ihre Stärken haben und in der Lage sind, Herausforderungen erfolgreich zu meistern.
Die Erzählung „Der Fuchs und der Krebs“ von Ludwig Bechstein kann aus einer linguistischen Perspektive auf verschiedene Weise analysiert werden.
Hier sind einige mögliche Ansätze
Wortwahl: Bechstein nutzt eine formale und teilweise antiquiert wirkende Sprache, was typisch für Texte aus dem 19. Jahrhundert ist. Wörter wie „gütlich tun“ (sich gut gehen lassen) oder „Schnelligkeit“ fallen auf.
Tiermetaphern: Der Text ist reich an Metaphern und sprichwörtlichen Ausdrücken, die Tiere als Protagonisten benutzen, ein typisches Merkmal von Fabeln.
Pragmatische Analyse
Spott und Ironie: Der Fuchs beginnt das Gespräch mit einem spöttischen Ton, während der Krebs sich mit Ironie verteidigt. Die Art und Weise, wie sie kommunizieren, zeigt soziale Hierarchien und Cleverness.
Dialogstruktur: Die Dialoge zwischen dem Fuchs und dem Krebs sind direkt und scheinen eine ironische oder lehrreiche Absicht zu haben, indem sie die Erwartungen des Lesers herausfordern.
Syntax und Stil
Satzbau: Der Satzbau ist charakteristisch für die Zeit und den Stil Bechsteins, mit häufigen Einschüben und einer komplizierten, manchmal umständlichen Struktur.
Stilmittel: Bechstein verwendet rhetorische Fragen, direkte Anrede und eine bildreiche Sprache, um den Text lebendig zu gestalten.
Semantische Analyse
Thematische Elemente: Der Text behandelt Themen wie Cleverness, Täuschung und die Unerwarteten Stärken des vermeintlich Schwachen.
Symbolik: Der Krebs symbolisiert List und Intelligenz, die den schneller wirkenden, aber überheblichen Fuchs übertrumpfen.
Morphologische Analyse
Verwendung von Verben: Es ist bemerkenswert, wie Bechstein Verben verwendet, die Bewegung beschreiben („kriechen“, „laufen“), um den physischen und metaphorischen Wettstreit zwischen den beiden Tieren zu unterstreichen.
Nominalisierungen: Die sprachliche Form ist durch häufige Nominalisierungen geprägt, die dem Text eine gehobene Note verleihen.
Diskursanalyse
Moralische Lektion: Die Fabel endet mit einer lehrreichen Pointe, die das Verhalten des Fuchses kritisiert und gleichzeitig die Cleverness des Krebses lobt.
Narrative Struktur: Die Erzählung folgt einer klassischen Fabel-Struktur mit einer Einleitung, einem Hauptteil mit aufbauender Handlung, und einer Schlussfolgerung mit einer klaren Moral.
Zusammenfassend zeigt die Geschichte von Bechstein bemerkenswerte linguistische Merkmale, die dazu dienen, die zeitlose Tugend der klugen Überlistung auf eine unterhaltsame und erzieherische Weise zu vermitteln.
Informationen für wissenschaftliche Analysen
Kennzahl | Wert |
---|---|
Lesbarkeitsindex nach Amstad | 94.1 |
Lesbarkeitsindex nach Björnsson | 21.1 |
Flesch-Reading-Ease Index | 86.7 |
Flesch–Kincaid Grade-Level | 3.5 |
Gunning Fog Index | 4.9 |
Coleman–Liau Index | 10.1 |
SMOG Index | 6.6 |
Automated Readability Index | 4 |
Zeichen-Anzahl | 1.584 |
Anzahl der Buchstaben | 1.249 |
Anzahl der Sätze | 30 |
Wortanzahl | 284 |
Durchschnittliche Wörter pro Satz | 9,47 |
Wörter mit mehr als 6 Buchstaben | 33 |
Prozentualer Anteil von langen Wörtern | 11.6% |
Silben gesamt | 371 |
Durchschnittliche Silben pro Wort | 1,31 |
Wörter mit drei Silben | 10 |
Prozentualer Anteil von Wörtern mit drei Silben | 3.5% |