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Es ging einmal ein Mädchen von Brakel nach der St.-Annen-Kapelle unterhalb der Hinnenburg, und weil es gerne einen Mann haben wollte und auch meinte, es wäre sonst niemand in der Kapelle, so sang es:
„O heilige Sankt Anne,
Verhilf mir doch zu einem Manne,
Du kennst ihn ja wohl:
Er wohnt vorm Suttmertore,
Hat gelbe Haare:
Du kennst ihn ja wohl!“
Der Küster stand aber hinter dem Altar und hörte das, da rief er mit seiner krächzenden Stimme:
„Du kriegst ihn nicht! Du kriegst ihn nicht!“
Das Mädchen aber meinte, das Marienkindchen, das bei der Mutter Anne steht, hätt ihm das zugerufen.
Da wurde es böse und rief:
„Papperlapapp, dummes Kind! Halt den Schnabel und lass die Mutter reden!“
Hintergründe zum Märchen „Das Mädchen von Brakel“
„Das Mädchen von Brakel“ (KHM 139), auch bekannt als „Dat Mäken von Brakel“, ist eine Schwankgeschichte aus den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm. Die Geschichte hat ihren Ursprung in der niederdeutschen Volksüberlieferung und wurde von der Familie von Haxthausen aus dem Paderborner Land an die Brüder Grimm weitergegeben.
Die Erzählung handelt von einem Mädchen, das in einer Kapelle betet und die Heilige Anna, die Mutter Mariens und Großmutter Jesu, bittet, ihr einen Mann zu geben. Ein versteckter Küster gibt vor, Maria zu sein und teilt dem Mädchen mit, dass sie den Mann nicht bekommen wird. Das Mädchen bittet daraufhin Maria, still zu sein und ihre Mutter Anna sprechen zu lassen.
Die Schwankgeschichte gehört zur Gruppe der Geschichten, die sich um Scherze, Neckereien und Betrug drehen. In diesem Fall wird das Mädchen vom Küster verspottet. Die Erzählung kann als Kritik an der katholischen Kirche gesehen werden, die Liebe und persönliche Wünsche verspottet und ausschließlich der Mutterrolle eine Berechtigung einräumt.
Die Brüder Grimm haben das Märchen ab dem zweiten Teil der ersten Auflage von 1815 in ihre Sammlung der Kinder- und Hausmärchen aufgenommen. Die Geschichte ist in verschiedenen Varianten und Versionen überliefert, sowohl in Deutschland als auch in den Niederlanden. Die Brüder Grimm verweisen in ihren Anmerkungen auch auf ähnliche Geschichten und Scherze, die in der mündlichen Überlieferung kursieren.
Die Geschichte „Das Mädchen von Brakel“ wurde im Laufe der Zeit von verschiedenen Künstlern illustriert, wie zum Beispiel von Otto Ubbelohde im Jahr 1909. In der Literatur finden sich Interpretationen und tiefenpsychologische Deutungen der Geschichte, wie etwa in Eugen Drewermanns Buch „Rapunzel, Rapunzel, lass dein Haar herunter. Grimms Märchen tiefenpsychologisch gedeutet“.
Ein Mädchen aus Brakel geht zur St.-Anna-Kapelle am Fuße des Hunnenbergs und wünscht sich einen Mann. Sie singt mit gelben Haaren von ihrem Mann in Zoutlaren. Der Küster steht hinter dem Altar und ruft mit quietschender Stimme: Ihr kriegt ihn nicht. Das Mädchen dachte, das Kind habe Maria gerufen, und schrie wütend, dass die Mutter das Sprechen übernehmen müsse.
Interpretationen zum Märchen „Das Mädchen von Brakel“
Im Märchen „Das Mädchen von Brakel“ (KHM 139) der Brüder Grimm gibt es verschiedene Interpretationsansätze. Einige der bekanntesten Interpretationen sind:
Religionskritik: Das Märchen kann als Kritik an der katholischen Kirche verstanden werden. Das Mädchen wird in der Geschichte von einem Küster verspottet, der vorgibt, Maria zu sein. Dies kann als Anspielung darauf gedeutet werden, dass die Kirche die persönlichen Wünsche und Bedürfnisse der Menschen verspottet und lediglich der Mutterrolle eine Berechtigung zuspricht.
Tiefenpsychologische Deutung: Der Theologe und Tiefenpsychologe Eugen Drewermann betrachtet das Märchen aus einer tiefenpsychologischen Perspektive. In seinem Buch „Rapunzel, Rapunzel, lass dein Haar herunter. Grimms Märchen tiefenpsychologisch gedeutet“ geht er auf die verschiedenen Aspekte des Märchens ein und interpretiert die Geschichte als Angriff auf die Verlogenheit und Heuchelei der Kirche.
Machtverhältnisse und Geschlechterrollen: Die Geschichte kann auch als Kommentar zu den Machtverhältnissen und Geschlechterrollen in der Gesellschaft interpretiert werden. Das Mädchen, das nach einem Mann sucht, wird von der männlichen Figur des Küsters verspottet und manipuliert, was auf die traditionellen Geschlechterrollen und Machtstrukturen in der Gesellschaft hinweist.
Die Rolle der Heiligen Anna: Das Märchen zeigt die Bedeutung der Heiligen Anna, der Schutzpatronin von Brakel und der Großmutter Jesu, für das Mädchen. Das Mädchen betet zu Anna, um ihre Hilfe bei der Suche nach einem Ehemann zu erhalten. Dies veranschaulicht die Verehrung der Heiligen und ihre Rolle als Vermittler zwischen den Menschen und Gott.
Humor und Schelmenstreich: Das Märchen kann auch als humorvolle Geschichte oder Schelmenstreich betrachtet werden. Der Küster spielt dem Mädchen einen Streich, indem er vorgibt, Maria zu sein, und das Mädchen bittet daraufhin Maria, still zu sein und ihre Mutter Anna sprechen zu lassen. Diese humorvolle Komponente macht die Geschichte unterhaltsam und zeigt, dass Märchen nicht immer ernst oder lehrreich sein müssen.
Insgesamt bieten die verschiedenen Interpretationsansätze verschiedene Perspektiven auf das Märchen „Das Mädchen von Brakel“ und zeigen die Vielschichtigkeit und Tiefe dieser Geschichte.
Adaptionen zum Märchen „Das Mädchen von Brakel“
„Das Mädchen von Brakel“ ist ein deutsches Märchen, das von den Brüdern Grimm in Grimms Märchen mit der Märchennummer 115 gesammelt wurde. Es ist als Aarne-Thompson Typ 1476A klassifiziert. Die Geschichte spielt in Brakel, Deutschland. Obwohl „Das Mädchen von Brakel“ (KHM 139) nicht zu den bekanntesten Märchen der Brüder Grimm gehört, wurde es dennoch in verschiedenen Medien und Formaten adaptiert. Einige konkrete Beispiele von Adaptionen sind:
Illustrationen: Die Geschichte wurde von verschiedenen Künstlern illustriert. Eine der bekanntesten Illustrationen stammt von Otto Ubbelohde aus dem Jahr 1909. Diese Zeichnung zeigt das Mädchen in der Kapelle, während sie zu St. Anna betet.
Theaterstücke: „Das Mädchen von Brakel“ wurde auch als Theaterstück adaptiert, zum Beispiel in Schulen oder bei Amateurtheatergruppen. Es eignet sich gut für Bühnenadaptionen, da es eine überschaubare Anzahl von Charakteren und eine einfache Handlung hat.
Musik: Das Märchen enthält mehrere Lieder und Gesänge, die sich gut für musikalische Adaptionen eignen. In einigen Fällen wurden diese Lieder und Verse in der Geschichte von Musikern und Komponisten vertont und interpretiert.
Kurzfilme und Animationen: „Das Mädchen von Brakel“ wurde auch als Kurzfilm oder animierte Geschichte adaptiert. In einigen Fällen wurden die Handlung und die Charaktere modernisiert, um sie für ein zeitgenössisches Publikum ansprechender zu machen.
Märchen und Geschichten: „Das Mädchen von Brakel“ wurde in verschiedenen Sammlungen von Märchen und Geschichten wiedergegeben, insbesondere in solchen, die sich auf die weniger bekannten Märchen der Brüder Grimm konzentrieren.
Obwohl „Das Mädchen von Brakel“ nicht so häufig adaptiert wurde wie einige der bekannteren Märchen der Brüder Grimm, zeigt die Vielfalt der Adaptionen die Anziehungskraft und Flexibilität der Geschichte in verschiedenen künstlerischen Formaten und Medien.
Zusammenfassung der Handlung
„Das Mädchen von Brakel“ (KHM 139) ist ein Märchen der Brüder Grimm, das von einem jungen Mädchen handelt, das in einer Kapelle betet. Sie wendet sich an die Heilige Anna, die Mutter Mariens und Großmutter Jesu, und bittet sie um Hilfe bei der Suche nach einem Ehemann:
„O hilge sünte Anne,
help mie doch bald tom Manne.
Du kennst’n ja wull:
he wuhnt var’m Suttmerdore,
hed gele Hore:
du kennst ’n wull.“
Während das Mädchen betet, versteckt sich der Küster hinter dem Altar und gibt vor, Maria zu sein. Er antwortet dem Mädchen, dass sie den gewünschten Mann nicht bekommen werde: „Du kriggst ’n nig, du kriggst ’n nig.“
Das Mädchen glaubt, dass es Maria ist, die spricht, und erwidert, Maria solle still sein und ihre Mutter Anna reden lassen: „Pepperlepep, dumme Blae, halt de Schnuten un lat de Möhme kühren.“
Die Geschichte ist ein humorvoller Schwank, der die Themen Betrug und Verspottung aufgreift und verschiedene Interpretationsansätze wie Religionskritik, Geschlechterrollen und Machtverhältnisse bietet.
Informationen für wissenschaftliche Analysen
Kennzahl | Wert |
---|---|
Nummer | KHM 139 |
Aarne-Thompson-Uther-Index | ATU Typ 1476A |
Übersetzungen | DE, EN, DA, ES, FR, PT, IT, JA, NL, PL, RU, TR, VI |
Lesbarkeitsindex nach Amstad | 87.2 |
Lesbarkeitsindex nach Björnsson | 26.1 |
Flesch-Reading-Ease Index | 77.8 |
Flesch–Kincaid Grade-Level | 5.4 |
Gunning Fog Index | 6.2 |
Coleman–Liau Index | 10.5 |
SMOG Index | 8 |
Automated Readability Index | 5.6 |
Zeichen-Anzahl | 720 |
Anzahl der Buchstaben | 540 |
Anzahl der Sätze | 10 |
Wortanzahl | 121 |
Durchschnittliche Wörter pro Satz | 12,10 |
Wörter mit mehr als 6 Buchstaben | 17 |
Prozentualer Anteil von langen Wörtern | 14% |
Silben gesamt | 167 |
Durchschnittliche Silben pro Wort | 1,38 |
Wörter mit drei Silben | 7 |
Prozentualer Anteil von Wörtern mit drei Silben | 5.8% |