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Gott der Herr hatte alle Tiere erschaffen und sich die Wölfe zu seinen Hunden auserwählt: bloß der Geis hatte er vergessen. Da richtete sich der Teufel an, wollte auch schaffen und machte die Geise mit feinen langen Schwänzen.
Wenn sie nun zur Weide gingen, blieben sie gewöhnlich mit ihren Schwänzen in den Dornhecken hängen, da musste der Teufel hineingehen und sie mit vieler Mühe losknüpfen. Das verdross ihn zuletzt, war her und biss jeder Geis den Schwanz ab, wie noch heut des Tags an den Stümpfen zu sehen ist.
Nun ließ er sie zwar allein weiden, aber es geschah, dass Gott der Herr zusah wie sie bald einen fruchtbaren Baum benagten, bald die edlen Reben beschädigten, bald andere zarte Pflanzen verdarben. Das jammerte ihn, so dass er aus Güte und Gnaden seine Wölfe dran hetzte, welche die Geise, die da gingen, bald zerrissen.
Wie der Teufel das vernahm, trat er vor den Herrn und sprach „dein Geschöpf hat mir das meine zerrissen.“ Der Herr antwortete „was hattest du es zu Schaden erschaffen!“ Der Teufel sagte „ich musste das: gleichwie selbst mein Sinn auf Schaden geht, konnte was ich erschaffen keine andere Natur haben, und musst mir‘s teuer zahlen.“
„Ich zahl dir‘s sobald das Eichenlaub abfällt, dann komm, dein Geld ist schon gezählt.“ Als das Eichenlaub abgefallen war, kam der Teufel und forderte seine Schuld.
Der Herr aber sprach „in der Kirche zu Konstantinopel steht eine hohe Eiche, die hat noch alles ihr Laub.“
Mit Toben und Fluchen entwich der Teufel und wollte die Eiche suchen, irrte sechs Monate in der Wüstenei, ehe er sie befand, und als er wieder kam, waren derweil wieder alle andere Eichen voll grüner Blätter. Da musste er seine Schuld fahren lassen, stach im Zorn allen übrigen Geisen die Augen aus und setzte ihnen seine eigenen ein.
Darum haben alle Geise Teufelsaugen und abgebissene Schwänze, und er nimmt gern ihre Gestalt an.
Hintergründe zum Märchen „Des Herrn und des Teufels Getier“
„Des Herrn und des Teufels Getier“ ist ein Märchen, das in den „Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm erscheint. Als Hintergrundinformation ist es interessant, sowohl den historischen Kontext als auch die symbolische Bedeutung der Charaktere und Ereignisse im Märchen zu betrachten. Die Brüder Grimm, Jacob und Wilhelm, sammelten ihre Märchen im 19. Jahrhundert in Deutschland. Ihr Ziel war es, die mündliche Erzähltradition festzuhalten und die Geschichten der deutschsprachigen Bevölkerung für die Nachwelt zu bewahren. In diesem Zusammenhang adaptierten sie „Des Herrn und des Teufels Getier“ aus der Version von Hans Sachs aus dem 16. Jahrhundert, „Der Teufel hat die Geiß erschaffen“. Es ist ein Schwankmärchen, das humorvolle Elemente und eine moralische Botschaft enthält.
Das Märchen enthält eine Vielzahl symbolischer Elemente, die verschiedene Aspekte des Lebens und der menschlichen Natur darstellen:
Gott und der Teufel: Die Hauptfiguren des Märchens repräsentieren das Gute (Gott) und das Böse (Teufel). Ihre Handlungen und Entscheidungen im Märchen zeigen einen ständigen Konflikt zwischen Gut und Böse.
Die Geiß: Die Geiß symbolisiert ein Tier, das weder gänzlich gut noch böse ist, da sie von beiden Charakteren geschaffen wurde. Die Schwächen und Unzulänglichkeiten der Geiß können als Metapher für die Unvollkommenheit der menschlichen Natur gesehen werden.
Die Wölfe: Sie werden als Gottes Hunde bezeichnet und repräsentieren die Strafe oder Gerechtigkeit für die Verfehlungen der Geiß. Diese Tiere können als allegorische Darstellung der göttlichen Ordnung und der Bestrafung für das Böse betrachtet werden.
Die Eiche: Die Eiche ist ein Symbol für Standhaftigkeit, Kraft und Unveränderlichkeit. Im Märchen wird die Eiche als Gottes Werk und Schutz vor dem Teufel gesehen. Dass der Teufel eine bestimmte Eiche sucht, um Gottes Versprechen einzufordern, zeigt seinen ständigen Versuch, Gottes Pläne zu vereiteln.
Die Augen: Die Augen sind ein Symbol für das Sehen, die Erkenntnis und die Unterscheidung zwischen Gut und Böse. Im Märchen tauscht der Teufel die Augen der Geißen aus, was die Vermischung von Gut und Böse und die Schwierigkeit, sie voneinander zu trennen, symbolisiert.
„Des Herrn und des Teufels Getier“ ist ein reichhaltiges Märchen, das verschiedene Aspekte der menschlichen Natur und des Lebens darstellt. Die Hintergründe zum Märchen können uns helfen, seine Bedeutung und den Kontext, in dem es entstanden ist, besser zu verstehen.
Interpretationen zum Märchen „Des Herrn und des Teufels Getier“
„Des Herrn und des Teufels Getier“ bietet Raum für verschiedene Interpretationen. Hier sind einige mögliche Lesarten des Märchens:
Dualismus von Gut und Böse: Das Märchen veranschaulicht die Dualität von Gut und Böse in der Welt. Gott und der Teufel sind die beiden gegensätzlichen Kräfte, die ständig im Konflikt stehen. Das Märchen zeigt, dass Gut und Böse oft eng miteinander verwoben sind und es schwierig sein kann, sie voneinander zu trennen, wie es auch beim Tausch der Augen der Geißen der Fall ist.
Menschliche Unvollkommenheit: Die Geschichte der Geiß, die von Gott und dem Teufel geschaffen wurde, kann als Metapher für die Unvollkommenheit der menschlichen Natur betrachtet werden. Die Geiß zeigt Schwächen und Fehlverhalten, die darauf hinweisen, dass Menschen sowohl gute als auch schlechte Eigenschaften besitzen und sich immer wieder in moralischen Dilemmata wiederfinden.
Göttliche Ordnung und Gerechtigkeit: Die Rolle der Wölfe als Gottes Hunde zeigt die Idee der göttlichen Ordnung und Gerechtigkeit, die das Böse bestraft und das Gute belohnt. In diesem Zusammenhang wird der Teufel immer wieder daran gehindert, seine bösen Absichten durchzusetzen, da Gott stets einen Schutz oder eine Grenze für ihn bereithält.
Anpassungsfähigkeit und Wandel: Die Tatsache, dass die Geiß trotz ihrer Schwächen und ihrer gemischten Herkunft überlebt, zeigt, dass Anpassungsfähigkeit und Wandel für das Überleben notwendig sind. Die Geiß hat sich den Widrigkeiten angepasst und trotz ihrer Herkunft weiterbestanden.
Religiöse und kulturelle Einflüsse: Das Märchen reflektiert die religiösen und kulturellen Einflüsse der Zeit und des Ortes, an dem es entstanden ist. Die Darstellung von Gut und Böse durch Gott und den Teufel, die Erschaffung der Tiere und die Verwendung von Eichen als Symbol für Standhaftigkeit spiegeln den christlichen Glauben und die damalige Gesellschaft wider.
„Des Herrn und des Teufels Getier“ ist ein vielschichtiges Märchen, das verschiedene Interpretationen und Lesarten zulässt. Je nach persönlichem Hintergrund und Erfahrungen können die Leser unterschiedliche Aspekte der Geschichte hervorheben und ihre eigene Bedeutung daraus ableiten.
Adaptionen zum Märchen „Des Herrn und des Teufels Getier“
Es gibt einige Adaptionen des Märchens „Des Herrn und des Teufels Getier“ von den Gebrüdern Grimm, die die Geschichte auf unterschiedliche Weise präsentieren und interpretieren. Hier sind einige konkrete Beispiele:
Theater: „Des Herrn und des Teufels Getier“ wurde als Bühnenstück adaptiert und in verschiedenen Theatern aufgeführt. Zum Beispiel wurde das Stück 2011 im Rahmen des Projekts „Grimmig! Ein Märchenwald voller Musik“ von der Akademie der Kulturellen Bildung in Remscheid, Deutschland, inszeniert. Dabei wurden verschiedene Märchen der Brüder Grimm in einem gemeinsamen Stück präsentiert.
Kinder- und Jugendbücher: In zahlreichen Märchen- und Geschichtensammlungen für Kinder und Jugendliche wurde „Des Herrn und des Teufels Getier“ aufgegriffen und nacherzählt. Ein Beispiel ist das Buch „Grimms schönste Märchen“ von Jacob und Wilhelm Grimm, illustriert von Anastassija Archipowa (ISBN: 978-3-314-10064-5). Die Geschichte wird hier in einer gekürzten und kindgerechten Fassung präsentiert, wobei die Illustrationen die Handlung auf ansprechende Weise visualisieren.
Hörbücher und Hörspiele:„Des Herrn und des Teufels Getier“ wurde auch als Hörbuch oder Hörspiel adaptiert. Zum Beispiel ist das Märchen in der Sammlung „Die schönsten Märchen der Brüder Grimm“ enthalten, gelesen von Jürgen Fritsche (ASIN: B00OYUDM2Q). Diese Version erzählt die Geschichte in einer leicht verständlichen Sprache und gibt den Hörern die Möglichkeit, die Handlung und die Charaktere auf eine andere Art und Weise kennenzulernen.
Illustrationen:Verschiedene Künstler haben im Laufe der Zeit Illustrationen für „Des Herrn und des Teufels Getier“ geschaffen, die die Geschichte in visueller Form darstellen. Ein Beispiel ist die Illustration von Otto Ubbelohde aus dem Jahr 1909, die das Märchen auf beeindruckende Weise in Szene setzt.
Insgesamt gibt es zwar nicht so viele Adaptionen von „Des Herrn und des Teufels Getier“ im Vergleich zu bekannteren Märchen der Brüder Grimm wie „Aschenputtel“ oder „Schneewittchen“, jedoch haben verschiedene Künstler, Autoren und Regisseure die Geschichte auf unterschiedliche Weise neu interpretiert und präsentiert. Diese Adaptionen eröffnen neue Perspektiven auf das Märchen und ermöglichen es den Lesern oder Zuschauern, es aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu erleben.
Zusammenfassung der Handlung
„Des Herrn und des Teufels Getier“ ist ein Märchen der Gebrüder Grimm, in dem Gott und der Teufel im Mittelpunkt stehen. Die Handlung beginnt damit, dass Gott alle Tiere erschafft, jedoch die Geiß vergisst. Der Teufel nutzt die Gelegenheit und erschafft die Geiß selbst, gibt ihr jedoch einen langen Schwanz. Durch diesen Schwanz bleibt die Geiß oft im Gebüsch hängen, bis der Teufel schließlich den Schwanz abbeißt.
Da die Geißen Bäume beschädigen, hetzt Gott die Wölfe, seine Hunde, auf sie. Der Teufel, unzufrieden mit der Behandlung seiner Schöpfung, fordert von Gott Ersatz. Gott verspricht ihm diesen, sobald das Eichenlaub abfällt. Allerdings gibt es eine Eiche im Dom von Konstantinopel, die ihr Laub nicht verliert. Bis der Teufel diese Eiche findet, haben die anderen Eichen ihr Laub bereits wieder. Aus Zorn sticht der Teufel den Geißen die Augen aus und setzt seine eigenen ein.
Das Märchen endet damit, dass die Geißen Teufelsaugen und Stummelschwänze haben und der Teufel gerne ihre Gestalt annimmt. Diese Erzählung zeigt eine humorvolle Auseinandersetzung zwischen Gott und dem Teufel und vermittelt eine Reihe symbolischer Bedeutungen.
Informationen für wissenschaftliche Analysen
Kennzahl | Wert |
---|---|
Nummer | KHM 148 |
Aarne-Thompson-Uther-Index | ATU Typ 773 |
Übersetzungen | DE, EN, DA, ES, FR, PT, IT, JA, NL, PL, RU, TR, VI, ZH |
Lesbarkeitsindex nach Amstad | 71.4 |
Lesbarkeitsindex nach Björnsson | 37.5 |
Flesch-Reading-Ease Index | 58.8 |
Flesch–Kincaid Grade-Level | 10.3 |
Gunning Fog Index | 11.1 |
Coleman–Liau Index | 12 |
SMOG Index | 10.9 |
Automated Readability Index | 11.5 |
Zeichen-Anzahl | 1.909 |
Anzahl der Buchstaben | 1.505 |
Anzahl der Sätze | 15 |
Wortanzahl | 316 |
Durchschnittliche Wörter pro Satz | 21,07 |
Wörter mit mehr als 6 Buchstaben | 52 |
Prozentualer Anteil von langen Wörtern | 16.5% |
Silben gesamt | 473 |
Durchschnittliche Silben pro Wort | 1,50 |
Wörter mit drei Silben | 27 |
Prozentualer Anteil von Wörtern mit drei Silben | 8.5% |