Vorlesezeit für Kinder: 3 min
Vorzeiten, als Gott noch selbst auf Erden wandelte, da war die Fruchtbarkeit des Bodens viel größer als sie jetzt ist: damals trugen die Ähren nicht fünfzig- oder sechzigfältig, sondern vier- bis fünfhundertfältig.
Da wuchsen die Körner am Halm von unten bis oben hinauf: so lang er war, so lang war auch die Ähre.
Aber wie die Menschen sind, im Überfluss achten sie des Segens nicht mehr, der von Gott kommt, werden gleichgültig und leichtsinnig.
Eines Tages ging eine Frau an einem Kornfeld vorbei, und ihr kleines Kind, das neben ihr sprang, fiel in eine Pfütze und beschmutzte sein Kleidchen. Da riss die Mutter eine Handvoll der schönen Ähren ab und reinigte ihm damit das Kleid.
Als der Herr, der eben vorüberkam, das sah, zürnte er und sprach: „Fortan soll der Kornhalm keine Ähre mehr tragen. Die Menschen sind der himmlischen Gabe nicht länger wert.“
Die Umstehenden, die das hörten, erschraken, fielen auf die Knie und flehten, dass er noch etwas möchte an dem Halm stehen lassen: wenn sie selbst es auch nicht verdienten, doch der unschuldigen Hühner wegen, die sonst verhungern müssten.
Der Herr, der ihr Elend voraussah, erbarmte sich und gewährte die Bitte. Also blieb noch oben die Ähre übrig, wie sie jetzt wächst.
Hintergründe zum Märchen „Die Kornähre“
„Die Kornähre“ (KHM 194) ist eine Sage der Gebrüder Grimm, die in den Kinder- und Hausmärchen ab der 6. Auflage von 1850 enthalten ist. Sie basiert auf der Sage von der Kornähre von Philipp Hoffmeister. Im Folgenden sind einige Hintergrundinformationen zur Entstehung, zum Inhalt und zur Bedeutung des Märchens zusammengefasst.
Entstehung: Die Sage von der Kornähre wurde ursprünglich von Philipp Hoffmeister in der Zeitschrift des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde veröffentlicht. Die Brüder Grimm übernahmen sie in ihre Sammlung und modifizierten sie dabei in einigen Details. Sie verglichen ihre Fassung mit anderen Versionen, wie etwa Bechsteins „Die Kornähren“ und Vonbuns S. 23.
Inhalt: Die Sage erzählt von einer Zeit, in der die Getreidehalme Korn vom Ansatz bis zur Spitze trugen. Als Gott eine Frau beobachtete, die das Kleid ihres Kindes mit einem Kornhalm reinigte, entzog er den Menschen die Gabe des vollen Kornwachstums. Die Umstehenden flehten Gott an, wenigstens ein wenig Korn für die Hühner übrig zu lassen. Daraufhin ließ Gott aus Gnade noch etwas Korn wachsen.
Bedeutung und Motive: „Die Kornähre“ behandelt das Motiv der göttlichen Strafe für die Missachtung des Heiligen. Die Menschen nutzen das Korn auf respektlose Weise und verlieren deshalb die Gabe des vollen Kornwachstums. Die Sage zeigt auch die Barmherzigkeit Gottes, der auf die Fürbitte der Menschen hin noch etwas Korn wachsen lässt.
Kultureller Kontext: Die Sage von der Kornähre ist in verschiedenen europäischen Versionen verbreitet, in denen die Mutter das Kind mit verschiedenen Getreideprodukten säubert. Der Gedanke vom heiligen Korn existiert in vielen bäuerlichen Kulturen. In altjüdischen und altarabischen Überlieferungen trug der Lebensbaum riesige Körner, bevor Adam und Eva verbotenerweise davon aßen. Im Christentum ist das Brot der Leib Jesu.
Literarische Einflüsse: „Die Kornähre“ ist nur eine von vielen Sagen und Märchen, die sich mit dem Motiv des heiligen Korns oder der Strafe für die Entweihung des Heiligen beschäftigen. Die Brüder Grimm waren von solchen Geschichten fasziniert und haben viele ähnliche Sagen und Märchen in ihre Sammlung aufgenommen.
Interpretationen zum Märchen „Die Kornähre“
„Die Kornähre“ (KHM 194) von den Gebrüder Grimm enthält mehrere Interpretationsansätze und symbolische Bedeutungen. Im Folgenden werden einige mögliche Interpretationen vorgestellt:
Respekt vor der Natur und ihren Gaben: Die Sage vermittelt die Bedeutung von Respekt und Ehrfurcht gegenüber den Gaben der Natur, insbesondere den landwirtschaftlichen Ressourcen wie dem Getreide. Die Strafe, die Gott über die Menschen verhängt, indem er das Kornwachstum einschränkt, zeigt die Konsequenzen der Missachtung der Natur und ihrer Geschenke.
Göttliche Gerechtigkeit und Barmherzigkeit: Ein weiterer Aspekt der Geschichte ist die Darstellung von Gottes Gerechtigkeit und Barmherzigkeit. Obwohl er den Menschen die Fülle des Kornwachstums wegnimmt, zeigt er Barmherzigkeit, indem er auf ihre Fürbitte hin dennoch etwas Korn wachsen lässt. Dies unterstreicht die Bedeutung von Reue und Umkehr, um göttliche Gnade zu erlangen.
Die Heiligkeit des Alltags: Die Geschichte betont auch die Heiligkeit des Alltags, indem sie das Korn als Symbol des Lebens und der göttlichen Vorsehung darstellt. Die Entweihung des Korns durch die Mutter zeigt, wie leichtfertig manchmal mit den alltäglichen Gaben umgegangen wird, die uns das Leben ermöglichen. Diese Sage erinnert uns daran, dass wir die Dinge, die uns täglich nähren und erhalten, wertschätzen und achten sollten.
Soziale Verantwortung und Gemeinschaft: Die Sage von der Kornähre betont auch die soziale Verantwortung und Gemeinschaft, da die umstehenden Menschen für die ganze Gemeinschaft eintreten und um Gottes Gnade bitten. Dies zeigt die Bedeutung von Zusammenhalt und Solidarität in schwierigen Zeiten.
Kulturelle und religiöse Verbindungen: Die verschiedenen Versionen der Sage, die in verschiedenen europäischen Kulturen zu finden sind, zeigen auch die kulturellen und religiösen Verbindungen zwischen den verschiedenen Gemeinschaften. Die Geschichte erinnert an die Bedeutung von Korn in der jüdischen und christlichen Tradition, beispielsweise als Symbol des Lebensbaums oder des Brotes als Leib Jesu. Sie betont somit auch die gemeinsamen Werte und Überzeugungen verschiedener Kulturen.
Insgesamt bietet „Die Kornähre“ (KHM 194) verschiedene Interpretationsmöglichkeiten, die die Bedeutung von Respekt vor der Natur, göttlicher Gerechtigkeit und Barmherzigkeit, der Heiligkeit des Alltags, sozialer Verantwortung und kulturellen Verbindungen hervorheben.
Adaptionen zum Märchen „Die Kornähre“
„Die Kornähre“ (englisch: „The Ear of Corn“ oder „The Ear of Wheat“) ist ein deutsches Märchen, das von den Gebrüdern Grimm mit der Nummer 194 gesammelt wurde. Es ist als Aarne-Thompson Typ 779 klassifiziert, Göttliche Belohnungen und Strafen. Obwohl „Die Kornähre“ (KHM 194) von den Gebrüder Grimm möglicherweise nicht so bekannt ist wie einige ihrer anderen Märchen, hat es dennoch einige Adaptionen und kreative Interpretationen erfahren. Hier sind einige Beispiele:
Illustrationen: Otto Ubbelohde, ein deutscher Illustrator, schuf Illustrationen für viele der Grimmschen Märchen, darunter auch „Die Kornähre“. Seine Illustrationen aus dem Jahr 1909 zeigen die Schlüsselszenen der Sage, wie zum Beispiel die Frau, die das Kleid ihres Kindes mit dem Kornhalm reinigt, und die Umstehenden, die vor Gott auf die Knie fallen.
Theater: Obwohl es keine bekannten Theaterstücke oder Performances gibt, die ausschließlich auf „Die Kornähre“ basieren, könnte die Sage in Aufführungen, die sich auf die Märchen der Brüder Grimm beziehen, als Teil eines größeren Programms integriert werden. In solchen Fällen könnten Schauspieler oder Erzähler die Geschichte vortragen und somit die Botschaft der Sage an ein modernes Publikum vermitteln.
Pädagogische Anwendungen: „Die Kornähre“ eignet sich gut als Lehrmaterial in Bildungseinrichtungen, da es ethische und moralische Fragen aufwirft, die in Klassenräumen, Workshops oder pädagogischen Veranstaltungen diskutiert werden können. Die Geschichte könnte als Grundlage für Diskussionen über Umweltschutz, soziale Verantwortung, kulturelle Verbindungen und göttliche Gerechtigkeit dienen.
Kunstprojekte und Installationen: Künstler und Kreative könnten „Die Kornähre“ als Inspirationsquelle nutzen, um Kunstprojekte oder Installationen zu schaffen, die die Themen der Geschichte untersuchen. Beispielsweise könnten bildende Künstler, Fotografen oder Filmemacher Werke schaffen, die den Respekt vor der Natur oder die Heiligkeit des Alltags beleuchten.
Musikalische Adaptionen: Musiker und Komponisten könnten sich von „Die Kornähre“ inspirieren lassen, um Musikstücke oder Lieder zu schreiben, die die Stimmung und die Botschaft der Sage einfangen. Solche musikalischen Adaptionen könnten in Konzerten, musikalischen Erzählungen oder als Teil eines thematischen Albums präsentiert werden.
Während „Die Kornähre“ (KHM 194) möglicherweise nicht so weit verbreitet und bekannt ist wie andere Grimmsche Märchen, bietet es dennoch reichlich kreativen Raum für Adaptionen und Interpretationen in verschiedenen künstlerischen und pädagogischen Medien.
Zusammenfassung der Handlung
„Die Kornähre“ (KHM 194) von den Gebrüder Grimm ist eine Sage, die von einer Zeit handelt, in der die Getreidehalme Korn vom Ansatz bis zur Spitze trugen. Eines Tages beobachtete Gott, wie eine Frau das Kleid ihres Kindes mit einem Kornhalm reinigte, nachdem das Kind in eine Pfütze gefallen war. Als Strafe für diese respektlose Verwendung des Korns nahm Gott den Menschen das Korn weg.
Die Umstehenden baten Gott daraufhin, wenigstens etwas Korn für die Hühner übrig zu lassen. Aus Gnade und Barmherzigkeit ließ Gott schließlich noch etwas Korn wachsen. Die Sage vermittelt die Bedeutung von Respekt und Ehrfurcht gegenüber den Gaben der Natur sowie die göttliche Gerechtigkeit und Barmherzigkeit.
Informationen für wissenschaftliche Analysen
Kennzahl | Wert |
---|---|
Nummer | KHM 194 |
Aarne-Thompson-Uther-Index | ATU Typ 779 |
Übersetzungen | DE, EN, ES, PT, IT, JA, NL, PL, RU, TR, VI, ZH |
Lesbarkeitsindex nach Amstad | 71.3 |
Lesbarkeitsindex nach Björnsson | 37.1 |
Flesch-Reading-Ease Index | 58.5 |
Flesch–Kincaid Grade-Level | 10.2 |
Gunning Fog Index | 11.3 |
Coleman–Liau Index | 12 |
SMOG Index | 11.3 |
Automated Readability Index | 11.5 |
Zeichen-Anzahl | 1.259 |
Anzahl der Buchstaben | 987 |
Anzahl der Sätze | 10 |
Wortanzahl | 205 |
Durchschnittliche Wörter pro Satz | 20,50 |
Wörter mit mehr als 6 Buchstaben | 34 |
Prozentualer Anteil von langen Wörtern | 16.6% |
Silben gesamt | 309 |
Durchschnittliche Silben pro Wort | 1,51 |
Wörter mit drei Silben | 20 |
Prozentualer Anteil von Wörtern mit drei Silben | 9.8% |